Besprechung vom 26.05.2025
Unternehmungslustig der Schnauze nach
Die Abenteuer seiner Bücher für Kinder sind stets auch Abenteuer in der Sprache: In einem neuen Bilderbuch lässt Clemens J. Setz einen Mopsfisch von der Leine.
Die heute vor allem von Kindern verehrte Gemeinschaft der Halbfischwesen hat Zuwachs bekommen: Nichts Geringeres als einen Mopsfisch hat sich Clemens J. Setz, der Büchner-Preisträger von 2021, für seine kleine Tochter ausgedacht. Jetzt ist - mit angemessen überdrehten Illustrationen von Stefanie Jeschke - ein Bilderbuch daraus geworden.
Dabei ist der Mopsfisch durchaus kein Wassertier, jedenfalls in seinem Lebensraum nicht auf das nasse Element beschränkt. Im Gegenteil: Wir lernen das fidele Tier kennen, als es gerade, von zwei Luftballons getragen, durch die Lüfte fliegt. Das kann nicht lange gut gehen, wie überhaupt erst ganz am Ende von Mopsfischs Reise, soweit in diesem Buch dokumentiert, ein Glück von Dauer zu sein verspricht. Die Ballons platzen, das Tier findet Halt an einer efeubewachsenen Hauswand, fällt von dort auf einen Gymnastikball, prallt ab und landet in einem Garten, findet dort nach stundenlanger Wanderung einen Fußball, mit dem er sich sofort vergnügt, bis er stolpert und als Nächstes in einen Gartenteich gerät. Dort verträgt er sich nicht mit den heimischen Fischen, er flieht, kommt frierend in einen Wald, verirrt sich, sieht von einer Baumkrone den Waldrand und findet dort zu guter Letzt - aber das soll selbst geraten oder gelesen werden.
Die Turbulenz der Geschichte, das Slapstickhafte, das immer wieder begeisterungsbereite Tier nehmen für "Mopsfisch" ein, bevor man nur ein einziges Wort gelesen hat. Dabei liegt im Wortwitz, im Sprachspielerischen, das sich schon jüngsten oder zweitjüngsten Lesern - das Buch wird zum Vorlesen für Kinder ab drei Jahren empfohlen - erschließen wird, der eigentliche Reiz.
Clemens J. Setz kombiniert formale Stringenz mit lautmalerischer Freiheit. Auf jeder Seite findet sich ein Dreizeiler, jede Zeile beginnt mit dem Wort Mopsfisch. In den ersten beiden folgt in der Regel nur noch ein weiteres Wort, oft ein Inflektiv. Ihr gemeinsames Versmaß passt zur dritten Zeile, und an deren Ende steht ein Reim.
"Mopsfisch zappel. / Mopsfisch fall. / Mopsfisch trifft Gymnastikball" heißt es beispielsweise, wenn sich das Tier aus der Efeumauer kämpft. Mehr Tempo war selten in einem Bilderbuchtext. "Mopsfisch rausspring. / Mopsfisch flieh. / Mopsfisch große Anarchie!": So bündig wird geschildert, dass sich der Ärmste im Teich offenbar danebenbenommen hat, vors Teichgericht gezerrt werden sollte und sich den nassen Armen der Justiz durch einen beherzten Satz entzogen hat.
Das literarische Spektrum reicht von Sätzen wie "Mopsfisch rufen", die an frühe Phasen des Spracherwerbs erinnern, über aus manchen Comics vertraute Verknappungen wie "ruf" oder "umblick" bis zu bestimmt erklärungsbedürftigen Wörtern wie "Teichgericht" oder "Anarchie". Auf der einen Seite sorgen die sprachlichen Vereinfachungen für Schwung, für Witz und ganz bestimmt nicht zuletzt für Vergnügen beim Vorlesen und Zuhören. Auf der anderen kann man sicher sein, dass die kindliche Neugier, derart auf Trab gebracht wie hier, auch vor den komplexen Begriffen nicht scheuen wird.
Clemens J. Setz hat Ernst Jandl, ebenfalls Büchner-Preisträger und Verfasser vielbeachteter Mops-Lyrik, einmal seine "allererste Liebe aus reclamgelben Jugendtagen" genannt. Jetzt sorgt er dafür, dass die eigenwillige Mischung aus Sprachkunst und Sprachspaß, die beide Dichter teilen, ein noch jüngeres Publikum findet. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Clemens J. Setz: "Mopsfisch".
Illustriert von Stefanie Jeschke. Insel Verlag, Berlin 2025. 32 S., geb., 15,- Euro. Ab 3 J.
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