Ägypten, heute: Nahe einer uralten Kultstätte am Nil hat sich eine Sekte angesiedelt, die sich völlig von der Außenwelt abschirmt. Die Mitglieder huldigen Pharao Echnaton - und prophezeien den nahenden Weltuntergang. Als mehrere Mitglieder der Sekte ermordet werden, rückt die isolierte Gemeinschaft ins grelle Licht der Öffentlichkeit. Kommissarin Theodora Costanda nimmt die Ermittlungen auf. Gehen die Morde auf religiöse Eiferer zurück? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Theodora taucht immer tiefer in einen Fall, der sie tief in die Geschichte des Landes führt, bis hin zum düsteren Geheimnis eines seiner mächtigsten Pharaonen.
Inhaltsverzeichnis
Besprechung vom 02.06.2025
Schmunzel, schmunzel
Krimis in Kürze: Storm, Rachel und Schreiber
Mit ein wenig Geduld lassen sich in der kaum noch überschaubaren Landschaft der Kriminalromane immer wieder mal ein paar auffällige Muster und Topoi identifizieren. Da ist zum Beispiel das Angebot für die Kunstsinnigen, die ihre Schwäche fürs triviale Genre durch Milieu und Sujet nobilitiert sehen möchten. Besonders beliebt: Geschichten, in denen der Diebstahl oder die Fälschung von bedeutenden Kunstwerken eine Rolle spielen. Auch die Romane von Andreas Storm bewegen sich in diesem Mikrokosmos und haben dem Publikum meist angeboten, wovon man glaubt, es müsse ihm gefallen.
"Die Victoria Verschwörung" (Kiepenheuer & Witsch, 368 S., br., 17,- Euro) lässt zum dritten Mal Lennard Lomberg ermitteln, und es ist unverkennbar, dass Storm sich deutlich gesteigert, dass er seine Prosa entschlackt und das klischierte Bild des weltläufigen Kunstfreundes und Connaisseurs erfreulich heruntergedimmt hat. Auch diesmal verschränkt die Handlung drei Zeitebenen: die Gegenwart des Jahres 2016, den Deutschland-Besuch der Queen im Jahr 1965 und die Nazi-Kontakte des Duke of Windsor im Jahr 1940. Und weil Storm gewohnt akribisch recherchiert und angemessen komplexe Plots konstruiert, liest sich spannend und flüssig, wie er aus einem real existierenden Aquarellgemälde von Johann Hermann Kretzschmer, das Queen Victoria und Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1845 zeigt, durch ein paar kleine Eingriffe und smarte Verschiebungen eine historisch und politisch brisante Story entwickelt.
Rachel Kushners "See der Schöpfung" (Rowohlt, 480 S., geb., 26,- Euro) als Spionageroman zu bezeichnen, ist zwar nicht ganz unzutreffend, verfehlt aber, was ihn so eigensinnig und lohnend macht. Die Amerikanerin Sadie infiltriert eine Kommune von Aktivisten im ländlichen Südosten Frankreichs, in der Guyenne. Die Kommunarden werden verdächtigt, Anschläge auf ein Regierungsprojekt verübt zu haben, das den Bau von Megabassins durchsetzen will, und weitere zu planen. Die Ich-Erzählerin, beim FBI zum Bauernopfer geworden, arbeitet für einen privaten Auftraggeber; die Hintermänner kümmern sie nicht. Dass sie als Agent Provocateur nachhelfen soll, falls die Aktivisten zögern, ist im Preis inbegriffen.
In die eher gemächliche, aber kurzweilige und leicht ironisch funkelnde Schilderung der Undercoveraktion dringen wie Zwischenrufe die Mails von Bruno, auf die Sadie Zugriff hat: Reflexionen eines alten Situationisten, der noch Guy Debord kannte. Er lebt in einer der örtlichen Höhlen, fungiert als eine Art Spiritus Rector für die Aktivisten, wenn er über die untergegangene Welt des Homo erectus reflektiert: "Wie konnte es passieren, dass von mehreren blühenden Zweigen nur noch der mickrige H. sapiens übrig ist?" Auf die kühl-professionelle Sadie hat der seltsame, mild esoterische Sound dieser Mails eine Wirkung, die ihr nur langsam dämmert. Für ihre Mission bleibt das nicht folgenlos.
Ein Aktivist ist Constantin Schreiber sicher nicht, auch wenn der Nachrichtensprecher, Moderator, Autor und umstrittene Islam-Auskenner einen großen Aktionsradius pflegt. Da darf ein weiterer Kriminalroman nicht fehlen: Auf "Kleopatras Grab" folgt jetzt "Echnatons Fluch" (Hoffmann und Campe, 272 S., geb., 22,- Euro). Hier bleibt, wie es der Titel schon andeutet, kein Ägypten-Klischee unberührt. Eine Sonnenanbetersekte ist auf den Pharao fixiert und huldigt blutigen Praktiken, Mitglieder kommen um, ein Polizist, der sich als ziemlicher Simpel erweist, wird eingeschleust. Die belgisch-ägyptische Kommissarin Theodora Costanda, kurz "Theo", gerät da zufällig hinein im Yoga-Urlaub mitten in der Wüste.
Geheimnisse ja, die gibt es auch, aber es bleibt nicht lange ein Geheimnis, dass Schreiber nicht sonderlich gut schreibt. Keine Floskel ist ihm fremd, da wird viel "geschmunzelt", es laufen ständig Schauer über den Rücken, und die Mechanik des Plots klappert immer wieder. Dafür überrascht die profunde völkerpsychologische Expertise: "Ja, vielleicht war es das auch, was jeder hier in sich trug: das Erbe der Pharaonen." Zum Glück muss man nicht über die übliche 400-Seiten-Distanz gehen. Der Sektenzauber ist auf einmal ziemlich abrupt vorbei. Aber es wird vermutlich weitergehen. Mit Nofretetes Nase. Oder so ähnlich. PETER KÖRTE
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