Besprechung vom 27.11.2019
Ein Mann fürs Lokale
Der Verleger Dirk Ippen blickt auf seine Karriere
In Herbert Galls 1980 erschienenen "Notizen aus einem Betrieb", mit dem schönen Obertitel "Deleatur", firmiert der Verleger Dirk Ippen als "Dr. Schnelle". Der Korrektor Gall hatte ihn sicher mit einigem Recht so getauft. Denn rasch marschiert Ippen in seiner nun vorliegenden Autobiographie auch durch sein Leben und klappert in nicht weniger als 58 Kapiteln seine beruflichen Stationen als Verleger und Käufer zahlreicher Lokalzeitungen ab. Das macht rund vier Seiten pro Kapitel. Erstaunlicherweise reserviert er für die Begegnungen mit solch barocken Persönlichkeiten wie Franz Josef Strauß oder Leo Kirch noch weniger Seiten, der von ihm geschätzte Axel Springer liegt im Schnitt.
Ippen ist nicht nur einer der bedeutendsten Verleger von Lokalzeitungen, er ist auch ihr glühender Anhänger. Elitäres Naserümpfen über das Genre mag er gar nicht. Die Wertschätzung des Lokalen und selbst von in kleinster Auflage erscheinenden Heimatzeitungen war sicher die wichtigste Voraussetzung für den erstaunlichen Aufstieg Ippens.
Eine weitere liegt im Elternhaus begründet. Sein Vater Rolf Ippen war wesentlich am Aufbau der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ) beteiligt. Sohn Dirk wurde nach dem Jurastudium in die Provinz zum "Westfälischen Anzeiger" in Hamm geschickt. Das war ein nicht eben modernes Zeitungshaus, das er gehörig auf Vordermann brachte. Selbst gegen die nach Hamm expandierende WAZ-Gruppe setzte er sich erfolgreich zur Wehr. Von dieser Basis aus expandierte Ippen zuerst gen Norden, ins Bremer Umland ("Kreiszeitung" in Syke), dann ins Rhein-Main-Gebiet (Sanierung der "Offenbach-Post"), nach München ("Münchner Merkur" und "tz"), wo er bewusst nicht zum Gefolgsmann von Strauß wurde, und nach Nordhessen ("Hessische/Niedersächsische Allgemeine").
Zuletzt akquirierte Ippens Gruppe die "Frankfurter Neue Presse" und die "Frankfurter Rundschau", was angesichts der Lage der "Rundschau" ein mutiges Unternehmen darstellte. Selbstredend ist diese Aufzählung nicht vollständig, neben den Lokalzeitungen erwarb und gründete Ippen eine Reihe von Anzeigeblättern. Auch hier pflegte er keinen Dünkel, sondern erkannte deren ökonomisches Potential. Selbst Telefonbuchverlage, wieder mit Blick auf den Anzeigenmarkt, und Radiosender gehören zu seinem Portfolio, und er expandierte auch ins Internet.
Ippen zeigt sich zu Recht stolz über seine Lebensleistung, verschweigt aber auch Fehler nicht. Er scheute sich nie, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wie etwa ein überraschendes Alkoholverbot in der Redaktion der "Offenbach-Post" zu erlassen. Ebenso wenig scheute er davor zurück, Klinken zu putzen und Kärrnerarbeit zu machen. Mächtigen Konkurrenten oder gar Filmmagnaten wie Kirch trat er aber mit gehörigem Selbstbewusstsein gegenüber.
Seine jungen Unternehmern zur Beachtung empfohlenen Maximen, die er am Ende des Buchs präsentiert, wirken wie einem Manager-Lehrbuch entnommen. Viel eher als Merksätze wie "Gehe ins Detail, wo es nötig ist, aber arbeite dich frei" oder "Setze den Transmissionsriemen eines Räderwerkes in Gang" können seine ungebrochene kommunitaristische Leidenschaft für die Themen des Nahbereiches und Alltages sowie die damit gepaarte kaufmännische Klugheit, eine Mischung aus Wagemut und Mäßigung, Vorbildcharakter haben. Zeitungen müssen ertragreich sein, aber Ippen machte und erwarb sie nicht nur wegen des Ertrages. Die Bescheidenheit und den kollegialen Umgang mit Redakteuren, Druckern und vor allem den Lesern nimmt man ihm ab.
Politisch zeigt Ippen sich liberal mit einem sozialen Touch. Die Bewunderung für den Sozialdemokraten und WAZ-Gründer Erich Brost ging einher mit einem Fremdeln gegenüber dem damals konservativen "Münchner Merkur". Gegenüber dessen Chefredakteur Werner Giers witzelte er: "Ihr fragt euch zuerst, wie denkt wohl unser Verleger, und wenn ihr das rausgefunden habt, wisst ihr, was ihr schreiben müsst. Das genaue Gegenteil nämlich." Der verlegerische Erfolg Ippens verdankte sich auch der Tatsache, dass Ippen nicht ein Missionar sein wollte, sondern journalistischer Dienstleister dort, wo es im wahrsten Sinne des Wortes brennen kann.
PETER HOERES
Dirk Ippen: "Mein Leben mit Zeitungen".
Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2019. 256 S., geb., 20,- [Euro].
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