Mit Verlust und Erwartung legt Egon Krenz den dritten und abschließenden Band seiner autobiografischen Trilogie vor ein Werk, das mehr ist als persönliche Erinnerung: Es ist Zeitzeugnis, politische Reflexion und leise Verteidigung eines untergegangenen Staates zugleich.
Im Zentrum steht der Herbst 1989: jener Moment, in dem der Autor als Nachfolger Erich Honeckers für 50 Tage die Führung von Partei und Staat übernahm, um wenig später selbst aus Amt, Wohnung und Geschichte gedrängt zu werden.
Krenz beschreibt diese Phase weder in heldenhaften noch weinerlichen Tönen, sondern mit sachlicher Distanz, was den Text nicht nur angenehm lesbarer, sondern obendrein auch ambivalenter macht. Die Darstellung des Machtverlusts geht Hand in Hand mit einer biografischen Bestandsaufnahme.
Es sind diese letzten Jahre der DDR und die unmittelbare Zeit danach, die dem Band seine eigentümliche Spannung verleihen: nicht nur als politische Chronik, sondern als dokumentierte Reaktion eines Mannes, der sich als Teil eines letztlich gescheiterten Versuchs begreift.
Besonders hervorzuheben ist, wie Krenz den Verlust von politischer Verantwortung mit dem bleibenden Anspruch auf politische Deutungshoheit verbindet, ein Spannungsfeld, das sich durch das ganze Buch zieht. Wer hier eine Abrechnung erwartet, wird nicht bedient und gerade das macht das Buch reizvoll: Krenz analysiert sein eigenes Handeln mit einem Maß an Selbstkritik, das ihn von bloßer Apologie unterscheidet.
Krenz sei es wichtig, zu mehr Wahrhaftigkeit zu motivieren, wenn über den ostdeutschen Staat und seine Menschen geurteilt werde.
Der friedliche Verlauf des Umbruchs 1989 wird von Krenz als Ergebnis bewusster Entscheidungen dargestellt. Er beschreibt, wie verhindert wurde, dass Schüsse fielen, und der politisch-gesellschaftliche Systemwechsel resp. »die Wende« vollzogen werden konnte.
Was bleibt, ist der Versuch, einer Geschichte Raum zu geben, die zu oft nur durch das Prisma des Scheiterns betrachtet wird. Krenz schreibt gegen das Vergessen an nicht als nostalgischer Rückblick, sondern als Anspruch auf historisches Ernstgenommen werden.