"Glaubst du an Gott?" ... "In gewisser Hinsicht schon. Man könnte sagen, ich fühle mich in religiösen Fragen eher dem Geist als den Buchstaben des Gesetzes verbunden. Ich lese gern über die jüdische Geschichte, es gab viele weise Männer, aber ich habe nicht viel Zeit."Elizabeth Graver setzt mit ihrem Roman "Kantika" ihrer Großmutter Rebecca Cohen Baruch Levy ein Denkmal. Sie zeigt den schweren Weg ihrer Großmutter auf, die kein leichtes Leben hatte und die oft sehr, sehr stark sein musste. Dank ihres Vaters, einem sephardischen Unternehmer, genießt Rebecca Cohen das Leben der Istanbuler Oberschicht. Rebeccas Kindheit ist durchtränkt von allerlei Regeln, ob zu Hause, auf der Straße oder in der Schule. Alles in ihrem jungen Leben hat eine Ordnung. Daher freute sie sich als Kind immer auf die Besuche bei Tiya Djentil, bei der sie eine ganz eigene Welt findet. Eine Welt alter Weisheiten, Aberglauben und Geistern. Doch dann schlägt in den 20er Jahren die Stimmung in Europa allmählich um, Rebeccas Vater wird enteignet und für Familie Cohen verändert sich alles. Erst recht als sie 1925 nach Spanien flüchten. In diesen Zeiten des Umbruchs, verliert sie als junges Mädchen ihre beste Freundin und wichtigste Bezugsperson. Natürlich gab es Briefe, die sie über dem Atlantik erreichten, aber wir alle wissen, dass das nicht dasselbe ist, wie seine Freundin zu umarmen, mit ihr zu lachen, zu tanzen und zu weinen. Und dann, kaum Ehefrau und Mutter, wurde sie mit zwei kleinen Söhnen auch schon wieder zur Witwe. Das Leben wurde danach nur noch schwerer. Doch dann erreicht sie ein Brief aus New York, der ihrem Leben noch einmal eine Wendung gibt..."Kantika" von Elizabeth Graver ist einerseits eine wehmütige Klage an die Unbillen des Lebens und das Leid, das eine Familie treffen kann und andererseits ein Fest ans Leben, an all die wundervollen Erinnerungen und Ereignisse, die eine Familie miteinander verbindet. Es ist ein Roman über das Fortgehen und Ankommen.Ein schöner Roman, der mich etwas wehmütig in Gedanken an meine Urgroßmutter und auch meine Großeltern zurücklässt. Generationen, die so viel ertragen haben und deren Leben selten einfach war.Übersetzt aus dem Amerikanischen von Juliane Zaubitzer.