
Jane Austen, die Stille, die Heitere? Als Autorin hat sie sich stets bedeckt gehalten - »by a Lady« stand auf den Büchern - »und tatsächlich«, schreibt ihre Biographin Elsemarie Maletzke, »trat sie eher als Tante denn als Schriftstellerin in Erscheinung und man wünschte, es wären in ihrem Leben ein paar Neffen und Nichten weniger und ein paar Romane mehr erschienen. « Ihre Familie überlieferte sie uns als friedfertige Jungfer und schnitt alles aus ihren Briefen heraus, was auf das Gegenteil verwiesen hätte. So wurde auch ihr Werk als ungefährlich und von kultiviertem Witz geschätzt. Aber Austen war kein zahmes Huhn, das in seinem literarischen Vorgärtchen pickte, sondern das eleganteste satirische Talent des ausgehenden 18. Jahrhunderts.
250 Jahre nach ihrer Geburt ist sie populärer denn je. Weltweit erleben Pride and Prejudice, Sense and Sensibility oder Emma Millionenauflagen, werden für Kino und TV-Serien adaptiert und erleben neue mediale Blüten. Mit Feingefühl und Humor zeichnet Maletzke das Bild einer Autorin, die mit leichter Hand das scheinbar Widersprüchliche verband: scharfe Beobachtung und zartes Verstehen, Komödie und Drama, Wortwitz und Moral.
»Bis ins Detail informiert, aber niemals pedantisch, anschaulich, ohne jemals ins Kolorierte zu geraten. «
DIE ZEIT
»[Eine] ebenso schwungvoll und witzig wie kompakt geschriebene Biographie. «
Ju rgen Kaube / Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Maletzke beschreibt Leben und Werk kundig, knapp und gedankenvoll, sichtet und gewichtet überzeugend. «
Florian Balke / Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
»[Maletzkes] Begeisterung ist ansteckend. «
Michael Wurmitzer / Der Standard
»Macht Lust auf die weniger bekannten Romane von Jane Austen und auf weitere Verfilmungen. «
Brigitte
»Maletzkes
Blick auf Jane Austen ist von Sympathie für die Person und Begeisterung
für deren Werk getragen. In vielen Momentaufnahmen beschreibt sie eine
Schriftstellerin, die sich oftmals keck über ihr eng begrenztes Werk
hinwegsetzte. «
Hannoversche Allgemeine Zeitung
»Wer nach der Lektüre immer noch nicht Jane Austen lesen will, dem ist nicht zu helfen. «
Norddeutscher Rundfunk
Besprechung vom 11.10.2025
Die als Liebe getarnte Suche nach einer guten Partie
Im Dezember jährt sich der Geburtstag von Jane Austen zum zweihundertfünfzigsten Mal. Erstmals liegen jetzt ihre sämtlichen Briefe in deutscher Übersetzung vor. Über eine der kontroversesten Romanautorinnen der Literaturgeschichte.
Von Jürgen Kaube
Von Jürgen Kaube
Jane Austen hätte sich gewundert. Seit mehr als zweihundert Jahren spaltet sie mit ihren Romanen die Leserschaft. Sie wird außerordentlich verehrt, hat die loyalsten Anhänger und ernährt eine ganze Industrie. Derzeit sind mehr als fünfzehn Jane-Austen-Kochbücher lieferbar, mindestens fünf über die Mode und das Mobiliar in ihren Romanen, zwei über die dort gespielten Kartenspiele, mehrere, die zum Gärtnern mit Jane Austen anleiten, und eines über ihre Stickereien.
Daran sei sie nicht unschuldig, meinen ihre Verächter. Ständig begegnet ihr der Vorwurf, für den Kitsch mitverantwortlich zu sein, den die Verfilmungen ihrer Werke - gut zwanzig sind es seit 1995 - über dem Publikum ausgegossen haben: für die tapfere Heldin stets gut ausgehende Heiratskomplikationen unter adrett gekleideten englischen Landbewohnern mittlerer Adligkeit mit engstirnigen oder kuriosen Alten und oft schüchterner, oft verlegener, meistens ratloser Jugend. Girl meets boys, verziert mit spitzen Bemerkungen der Autorin.
Dem steht die Behauptung entgegen, Austen sei nicht die Mutter, sondern gerade die schärfste Kritikerin der Schnulze. Ständig charakterisiert sie in ihren sieben Romanen Figuren scharf, die ihre moralische Physiognomie in jedem Satz beweisen, den sie von sich geben. Vom Roman "Die Abtei von Northanger", der 1798 begonnen wurde, bis zu "Überredung", der 1817 erschien, legt sie, ohne die Augenbrauen hochzuziehen, das banale Unglück eines Lebens offen, das sich nur für sich selbst, das eigene Fortkommen und die nächsten Verwandten interessiert, zeigt sie Heuchelei und Angeberei als Begleiterscheinungen des Utilitarismus, den sich damals halb England als Selbstbeschreibung zulegte. Freundlich im Erzählstil, war sie unbarmherzig auf die Selbstentlarvung des Liebesegoismus aus. Die Stickereien waren in Wahrheit Stiche.
Wie groß der Dissens über Austen ist, ist daran zu erkennen, dass sie nicht nur Verächter hat - Mark Twain wurde geradezu wütend, wenn er auf sie zu sprechen kam - und in sie hoffnungslos Verliebte, sondern ihre Gegner wie ihre Verehrer sogar untereinander uneins sind. Selten ist so viel Konflikt von so viel erzählerischer Zurückhaltung hervorgebracht worden.
Fangen wir mit denen an, die ihre Nasen rümpfen, sobald von Jane Austen gesprochen wird. Da gibt es diejenigen, für die sie die harmlose Verfasserin von Romanen ist, in denen endlos darüber geredet wird, wer gerade mit wem getanzt hat, wer auf wen aus ist, wer wen heiratet und wer am Ende leer oder unglücklich ausgeht. Dazwischen trifft man sich zum Tee oder zu gekochtem Hühnchen ohne Austernsauce, wie es in einem Brief Austens heißt. Die Tochter des Schriftstellers William Thackeray, Anne Richie, behauptete einmal, die Picknicks in Austens Romanen seien "Modelle für alle zukünftigen und vergangenen Picknicks". Waren die Romane also nur Lustspielchen aus dem englischen Landleben mit teils mäßig, teils sehr begütertem Personal, in Parkanlagen und dem, was Franzosen desto lieber ein "Chateau" nennen, je weniger es ein Schloss ist? "Elegant aber beschränkt", lautete das Urteil ihrer Schriftstellerkollegin Charlotte Brontë von 1848, dem diese zwei Jahre später hinzufügt, die Personen Austens entbehrten aller Leidenschaft und jedweden erotischen Verlangens.
Ergänzend hielt Vladimir Nabokov, der Austen zusammen mit Kafka, Flaubert, Joyce und Proust unter den wenigen westlichen Romanautoren führte, die er überhaupt einer Vorlesung für würdig befand, fest, bei Austen werde nur langweilig gestorben. Der Tod war kein Drama für sie. Das Wichtigste an ihren Sterbefällen sind die Erbschaften, zu denen sie führen, und die Stellen, die durch sie freiwerden. Über welche ihrer "wichtigen Nichtigkeiten" sie zuerst erzählen soll, fragt Austen am 15. Juni 1808 ihre Schwester Cassandra, woraus ein Kritiker den Vorwurf zog, eben daraus bestünden ihre Romane: aus so gut wie nichts. Henry James formulierte es 1905 in "Die Lektion Balzacs" freundlicher. Man sei auf "jedermanns liebe Jane" nicht neugieriger, als es irgendeine Spottdrossel im Garten wäre.
Derart harmlos will das eine andere Gruppe, die vor allem aus Englischprofessoren besteht, nicht nehmen. Sie findet in Austens Romanen die apologetische Einstellung zur Welt der englischen "landed gentry" am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts, jener Klasse von Landbesitzern unterhalb des Hochadels, die als Rentiers mal gut, mal weniger gut von arbeitslosen Einkommen lebte, Zinsen, Grundrenten und kolonialen Plantagenerträgen. Für sie war es deshalb wichtig, welches Grundstück das andere heiratete und welche Rentenpapiere sich ineinander verlieben konnten. In Austens Romanen wird von fast jeder Figur genau mitgeteilt, wie viel Vermögen sie hat. Die junge Frau ist typischerweise auf der Suche nach einem Versorger, dem sie oder ihre Eltern nicht selten Liebe vorspielen, um bei ökonomisch prekärem Status sich ein Mindestmaß an Luxus oder wenigstens Status bewahren zu können. Das schöne Gesicht als letztes Kapital mit blassem Teint und den sprichwörtlich kurzen Beinen der Lüge. Fünfhundert Pfund Zinseinkommen sollten es schon sein, um sich wenigstens ein paar Bedienstete leisten zu können.
Man muss nicht reich sein, hat einmal jemand gesagt, man muss nur reiche Freunde haben, und Austen ergänzt in ihren Romanen: oder gut heiraten. Ihr Spott trifft diejenigen, die so denken, denn die heiraten in ihren Romanen am schlechtesten. Dass Freundschaft und Liebe durch ihre utilitäre Deutung leicht ruiniert werden, weshalb man es den reichen Freunden und den prospektiven Gatten natürlich nicht sagen kann, dass ihnen die Rolle der Versorger zugedacht ist oder sie mindestens ein Substitut für eigenen Wohlstand sind, wird als Preis des wechselseitigen Betrugs hingenommen. Selbst im England des achtzehnten Jahrhunderts, in dem die Frauen faktisch Sklaven waren, nach deren Willen bestenfalls ein einziges Mal in ihrem Leben gefragt wurde, bewegte sich die Sprache der Liebe in einem Widerspruch zu diesen Umständen.
Jane Austen, so lautet der Vorwurf, habe diese Wirklichkeit sentimentalisiert und so zum Bild des "merry old England" beigetragen, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts und noch heute zur Erzeugung elegischer Gefühle dient. Berühmt ist der Stoßseufzer Winston Churchills, der im Zweiten Weltkrieg Austen las, als er sich gerade von einer Lungenentzündung erholte, und notierte, was für ein sanftes Leben die Leute damals doch geführt hätten. Nicht einmal Sorgen über die Französische Revolution oder Napoleon machten sie sich. Und weshalb machten sie sich stattdessen nur Sorgen über Mr. Darcy, den nächsten Ball oder die Kosten der Pferdedroschke? Weil Austen andere Wirklichkeiten, die kolonialen, die patriarchalischen, die politischen, bestenfalls andeutet. Sie war keine Kritikerin, die Kritik überließ sie der Wirklichkeit, die sie durch das Unglück vollzieht, das den Unehrlichen in ihr widerfährt. Jedenfalls in Austens imaginierter Wirklichkeit war das so.
Kommen wir zu ihren Verehrern. Das sind, nach einem Wort des Literaturkritikers D. W. Harding, zum einen Leute, die Austen selbst nicht gemocht und verspottet hätte. Für ihren Geist hat er den treffenden Begriff "regulated hatred" gefunden, was wir gern mit zivilisierter Verachtung übersetzen würden. Traf sie auf Sentimentalität, konnte sie sehr sarkastisch sein, mit wenigen Bemerkungen eine Person erbarmungslos in ihrer Verlogenheit, Geschwätzigkeit oder ihrem schlecht kaschierten Egoismus darstellen. Die Wirkung, die sie dabei bei den Lesern erzielt, ist umso größer, als sie selbst ganz ruhig dabei bleibt, wenn ihr offenkundige Dummheit und lächerliches Verhalten begegnen. Die Zuwendung zum Stoff der arrangierten und nicht arrangierten Ehen begründet sich auf diese Weise nicht aus ihrer sozialgeschichtlichen Bedeutung, sondern weil hier ein Maximum am Missverständnissen, Blindheit und Rollenspiel begegnet. Jane Austen war ein sehr empfindlich eingestellter Sensor falschen Verhaltens. Virginia Woolf notiert einmal, sie wäre lieber nicht allein in einem Raum mit Jane Austen gewesen.
Entsprechend gibt es die Verehrer, die sich gern in das merry old Tischgespräch in Räumen mit geblümten Tapeten einfühlen. Und es gibt diejenigen, die an Austen gerade bewundern, wie ihr keineswegs sanfter Spott diese dekorative und um Dekoration der sie leitenden Absichten bemühte Welt anhand der Widersprüche zwischen dem Willen zum komfortablen Leben, und der Liebe, die von ihm missbraucht wird, analysiert. Viele reden Leidenschaft, weil sie gehört haben, das gehöre zur Liebe dazu, aber sie leben Zuschuss. Die Passionen dienen den Interessen. Wer ihre Verbindung aufzulösen vermag, qualifiziert sich bei Austen zur Heldin und zum Helden. Auf Charlotte Brontës Vorwurf hätte Austen darum erwidern können, die Existenz von Leidenschaft hänge nicht daran, ob sie die Passionierten im Griff hat. In "Stolz und Vorurteil" erscheint sie umgekehrt in dem Maße stark gezügelt, in dem sie selbst heftig ist. In "Überredung" verhält es sich umgekehrt, weil hier die Heldin Anne Eliott sich gerade nicht damit anfreunden kann, alles dem Anstand unterzuordnen, vom dem das englischste aller Attribute spricht: "properly".
Dass beides, die elegische Einfühlung in diese Welt und ihre kalte Analyse, zugleich möglich war, liegt an der zurückhaltenden Existenz, die Jane Austen nicht nur geführt hat, sondern auch in ihren Romanen bewahrte. Sie hat sich selbst dem Liebeswerben nur kurz ausgesetzt, hat nie geheiratet, blieb im Kreis der Familie "Tante Jane" und erlaubte sich in ihren überlieferten Briefen keine drastischen Urteile und keine intellektuellen Ausflüge, lässt allenfalls manchmal Blicke aufblitzen. "Es gab nur wenige Schönheiten & die wenigen waren nicht besonders hübsch" (21. November 1800).
Der vorliegenden ersten deutschen Ausgabe ihrer sämtlichen erhaltenen Briefe lässt sich kaum entnehmen, dass es die einer noch dazu berühmten Romanautorin sind. Sie handeln zumeist von Bällen und der Zahl ihrer Tanzpartner, von Einladungen und Besuchen, von den Heiraten und Niederkünften in ihrer Umgebung, von anlandenden Schiffen - England befand sich damals im Seekrieg mit Frankreich -, von Kartenspielen und von Speiseplänen. Ihr Blick ruht, anders als in den Romanen, selten auf einzelnen Personen. Dafür erfahren wir viel über relative Preise und könnten anhand der Briefe ausrechnen, wie viele Seezungen man damals für das Wochensalär eines Dieners bekommen hätte und was im Vergleich dazu ein Buch kostete.
Ziemlich viel, was es umso erstaunlicher macht, wie intensiv im Haushalt der Familie Austen, die eine Vikarsfamilie war, gelesen wurde, von Laurence Sternes "Empfindsamer Reise" über den weiblichen Don Quijote von Charlotte Lennox bis zu den frivolen Romanen der Madame de Genlis. Als Austen "Northanger Abbey" schrieb, um in einem Roman zweifelhafte Folgen der Lektüre von Romanen zu verspotten, der damals beliebten "gothic novels", wusste sie, wovon sie redete. Die Dummheit der Mitwelt schien ihr unheimlicher als Skelette in Dachkammern alter Burgen. Eine Romantikerin war sie nicht.
Von all dem ist den Briefen aber nicht die Rede. Die schöne Ausgabe stellt jedem Jahr vielleicht auch deshalb eine kleine Chronik zeitgenössischer Ereignisse voran, die andeutet, in welchem Zeitraum wir uns befinden, weil wir es den Briefen selbst nur mühsam entnehmen könnten. Womöglich ist den postumen Briefvernichtungen von Austens Nachkommen, die erheblich waren, alles zum Opfer gefallen, was von intellektuellem Reiz war. Wer diese Lücken füllen möchte, ist nach wie vor gut beraten, Elsemarie Maletzkes ebenso schwungvoll und witzig wie kompakt geschriebene Biographie der Autorin heranzuziehen, die gerade in einer Neufassung vorgelegt wird.
Was machen wir also jetzt mit den so widersprüchlichen Einschätzungen der Romane Jane Austens? Im Grunde bieten sie einen zusätzlichen Anreiz, sie erstmals oder neuerlich zu lesen. Folgt man Nabokov, ist ohnehin nur der Wiederleser ein guter Leser. Für Fortgeschrittene und für Zweifler haben Claudia L. Johnson von der Princeton University und Clara Tuite aus Melbourne vor Kurzem in ihrem Buch "30 Great Myths about Jane Austen" (Hoboken/New Jersey, 2020) mit vielen Vorurteilen und Halbwahrheiten über diese rätselvolle Autorin aufgeräumt. Sie reichen von "Jane Austen ist doch nur etwas für Frauen" über "Ihre Briefe sind mittelmäßig und trivial" bis zu "Austens Romane sind weltflüchtig". Am 16. Dezember jährt sich Jane Austens Geburtstag zum 250. Mal. Wir freuen uns schon jetzt auf diesen weiteren Anlass, über sie nachzudenken.
Jane Austen:
"Liebste Freundin!" Sämtliche Briefe.
Aus dem Englischen von Andrea Ott. Nachwort von Adriana Altaras.
Manesse Verlag,
Zürich 2025.
512 S., geb., 45,- Euro.
Elsemarie Maletzke: "Jane Austen".
Eine Biographie.
Überarbeitete Neuausgabe. Schöffling Verlag,
Frankfurt am Main 2025.
320 S., Abb., geb.,
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