Wildhof von Eva Strasser ist eine feinfühlige und atmosphärische Geschichte über Verlust, Erinnerungen und den schmalen Grat zwischen Schmerz und Hoffnung. Mit viel Sinnlichkeit und einer gelungenen Balance aus Spannung und Emotionen hat mich das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Leseempfehlung!
Klappentext:
Selbstmitleid ist Lina fremd, denn sie hat reichlich Humor. Doch woher all die Wut kommt, die mitunter aus ihr herausbricht? Sie scheint dann ganz außer sich, völlig daneben. Weil wohl einfach zu viel zusammengekommen ist. Kein kleines Familiendrama, ein großes. Ihre Zwillingsschwester Luise ist spurlos verschwunden. Vor Jahren. Schon lange lebt Lina deshalb nicht mehr in Wildhof. Jetzt aber muss sie dorthin zurückkehren, um aufzuräumen, nachzuforschen, zu begraben und abzuschließen.
Gut dreißigjährig und frisch verwaist sucht sie nun einen Käufer für das Elternhaus und findet wieder, was auf immer versunken schien. Auch endlich eine Spur. Denn Luise hat ihr einen Wegweiser hinterlassen
In einer Gegenwart, in der sie gehalten wird vom durchsonnten Wald und von alten Freundschaften, kratzt Lina beidhändig die vermooste Vergangenheit frei. Und damit ihre eigene Zukunft.
Ein sinnliches Buch, voller Gefühle, Gerüche und Geräusche, angespannt und spannend bis zum Schluss.
Der Einstieg in "Wildhof" fiel mir durch den lebendigen Schreibstil der Autorin sehr leicht. Die Geschichte wird aus der personalen Sie-Perspektive von Lina erzählt, was sehr nah und authentisch wirkt. So taucht man tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt ein und erlebt hautnah ihre Wut, ihre Trauer und ihren Humor. Diese intensive Erzählweise macht das Buch besonders emotional und lebendig.
Lina ist eine starke, vielschichtige Frau, die trotz großer innerer Verletzungen niemals in Selbstmitleid versinkt. Ihr Humor wirkt wie ein Schutzschild, gleichzeitig bringt sie durch ihre ehrliche und manchmal schonungslos direkte Art viel Authentizität in die Geschichte. Besonders beeindruckend finde ich, wie sie ihre Vergangenheit Stück für Stück aufarbeitet, ohne dabei ihre Verletzlichkeit zu verstecken. Ihre innere Zerrissenheit und ihr Mut machen sie zu einer Protagonistin, die man nicht so schnell vergisst.
Luise, die vermisste Zwillingsschwester, ist fast wie ein Schatten, der über der Handlung schwebt präsent durch Erinnerungen und Andeutungen, aber geheimnisvoll und ungreifbar. Ihre Bedeutung für Lina und die Geschichte ist groß.
Das Setting des abgelegenen Wildhofs mit seinem durchsonnten Wald und der idyllischen, aber auch melancholischen Landschaft ist perfekt gewählt. Eva Strasser beschreibt Natur, Gerüche und Geräusche so sinnlich und detailreich, dass man sich sofort mitten im Geschehen fühlt. Dieses Ambiente verstärkt die Atmosphäre der Erinnerung und des Loslassens auf wunderbare Weise.
Wildhof ist ein außergewöhnlicher Roman, der durch seine einfühlsame Erzählweise und das eindrucksvolle Setting besticht. Die Autorin schafft es, eine tiefgründige Geschichte über Verlust und Neubeginn zu erzählen, die lange nachwirkt. Wer sich für emotionale Familiengeschichten mit einer Prise Spannung und viel Atmosphäre interessiert, sollte diesem Buch unbedingt eine Chance geben. Für mich ein sehr gelungenes Leseerlebnis mit kleinen Abzügen, das ich gern weiterempfehle.
Ich gebe dem Buch 4 von 5 Sternen!
Zitat: Eva Strasser: Wildhof, S. 13