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Produktbild: Die Allee | Florentine Anders
Produktbild: Die Allee | Florentine Anders

Die Allee

Roman

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Aufwühlend und geschichtensatt: Übers Bauhaus, den Stararchitekten der DDR, zwei sich emanzipierende Frauen und die Fallen des Systems

Da ist der charismatische, von den Ideen des Bauhauses und der Avantgarde durchdrungene Idealist Hermann Henselmann, der nach dem Krieg zum Chefarchitekten Ost-Berlins aufsteigt und dort in Konkurrenz zu den West-Berlinern um Scharoun & Co. treten soll. Der Berliner Fernsehturm, die Stalinallee, der Leipziger Uniturm sind mit seinem Namen untrennbar verbunden. Der Preis freilich: Ständig muss er lavieren und manchmal auch zu Kreuze kriechen, um wenigstens die Grundlagen seiner modernistischen Ideen vor den stieseligen Vorstellungen der Politführung zu retten. Und da ist vor allem Henselmanns Frau Isi, hochbegabt, die auch als Architektin arbeiten will, aber mit einer auf acht Kinder anwachsenden Familie zu kämpfen hat, ständig die Scherben aufkehren muss, die ihr Mann hinterlässt, und sich zunehmend selbst emanzipiert. Und da ist die Tochter Isa, die sich der erstickenden Manipulation durch den cholerischen Vater entzieht, um ihren dornigen eigenen Weg in ganz anderen Milieus zu gehen. Und dann auch noch die eng verwandte Familie Robert Havemanns, bei dem Kompromisse wenig zählen und der sich der staatlichen Bevormundung komplett verweigert.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
13. Februar 2025
Sprache
deutsch
Auflage
4. Auflage
Seitenanzahl
352
Autor/Autorin
Florentine Anders
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
398 g
Größe (L/B/H)
207/133/34 mm
ISBN
9783869713205

Portrait

Florentine Anders

Florentine Anders, geboren 1968 in Berlin, ist Enkelin der Henselmanns. Sie studierte an der Universität Leipzig und der Université Assas in Paris. Danach absolvierte sie die Journalistenschule Centre de Formation des Journalistes (CFJ) in Paris und arbeitete als freie Journalistin in Frankreich und Deutschland. Sie schrieb für verschiedene Zeitungen und ist jetzt Redakteurin beim Studio ZX, ein Unternehmen des Zeit Verlags. Seit 2022 ist sie Vorstandsmitglied der Hermann-Henselmann-Stiftung.


Pressestimmen

Ein fulminanter Familienroman. Imtraud Gutschke, neues deutschland

Eine hochspannende Lektüre mit gleichzeitigem Geschichtsunterricht. Andrea Beu, n-tv

Klingt bisschen wie Kino? So klingt tatsächlich das ganze Buch wie ein Epos aus Ostberlin. Peter Richter, Süddeutsche Zeitung

Ihr hochgelobtes Buch bietet viel: Tragik, Komik, große Entscheidungen, alles mit und durch die Großfamilie erzählt, eng an der DDR-Politik. (. . .) Die Allee ist Architektur, Zeit- und Familiengeschichte, alles in einem. Mirjam Meinhardt, ZDF Mittagsmagazin

Ein packender Roman. was der Staat mit Menschen macht, weiß der Roman eindrucksvoll zu schildern. Uwe Sauerwein, Berliner Morgenpost

Ein kundiger und mitreißender Parforceritt durch die jüngere Geschichte, nicht zuletzt durch die Architekturgeschichte der DDR. Tino Dallmann, MDR Unter Büchern

Und so ist ihr Roman eine aufschlussreiche Wanderung: nicht nur durch das Leben des bekannten Architekten und seiner großen Familie, sondern auch entlang 100-jähriger Baugeschichte. Ina Beyer, SWR Lesenswert

Hermann Henselmann war der wichtigste DDR-Architekt. Seine Enkelin Florentine Anders erzählt in ihrem Roman Die Allee faszinierend die Geschichte seiner Familie, wie er die Stalinallee (mit)plante und den Fernsehturm erfand. Es ist aber auch ein Parforce-Ritt durch die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Erik Heier, tip Berlin

Besprechung vom 22.03.2025

Isi und Isa schlagen sich durch die neue Welt

Hermann Henselmann war ein moderner Architekt, der zum wichtigsten Baumeister der DDR wurde. Jetzt widmet ihm seine Enkeltochter Florentine Anders einen Roman - in dem die wirklichen Helden Henselmanns Frau und seine Tochter sind.

Von Niklas Maak

Von Niklas Maak

Vor dem Sozialismus kommt der absolute Luxus: Der Architekt Hermann Henselmann ist gerade einmal 25 Jahre alt, als er im schweizerischen Montreux ein atemraubendes Haus bauen darf. Am Hang, mit weitem Seeblick, lässt er um 1930 eine weiße Villa mit Dachterrasse, Langfenstern und roten Stahlgeländern errichten, ein Monument für Licht, Luft und Sonne, das sehr an die damals ungeheuerlichen Wohnhäuser von Le Corbusier erinnert. Henselmann entwirft die "Villa Kenwin" für das wohlhabende englische Ehepaar Kenneth McPherson und Anni Winnifred Ellerman. Der Name des Hauses setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der beiden zusammen, die ansonsten allerdings eher eine Scheinehe führten: Kenneth, von Beruf Filmemacher, stand vor allem auf Männer, die Schriftstellerin Anni war bisexuell und mit einer Schauspielerin zusammen.

Allein der Bau dieser Villa und das Leben darin würden genug Stoff für einen Roman bieten - aber sie ist nur der furiose Beginn einer der erstaunlichsten und bewegtesten Architektenkarrieren des zwanzigsten Jahrhunderts. Hermann Henselmann, geboren 1905, macht sich nach der Villa Kenwin in Berlin selbständig, sein heiteres, vom Bauhaus geprägtes Flachdachhaus in Kleinmachnow bringt ihn 1934 in Konflikt mit dem NS-Regime, er muss sein Büro aufgeben, kommt als angestellter Architekt durch den Krieg und steigt nach 1945 zum einflussreichsten Architekten der DDR auf. Berühmt sind seine Pläne für die Frankfurter Allee in Berlin, die, der stalinistischen Architekturdoktrin entsprechend, Elemente eines monumentalen Neoklassizismus und Haussmann'sche Städtebauideale des neunzehnten Jahrhunderts aufgriffen. Das wurde von Henselmanns Kollegen damals als Verrat an der westlichen Bauhausmoderne kritisiert, wohingegen man heute in den Arkaden und Fassaden seines programmatischen Hochhauses an der Weberwiese Qualitäten entdeckt, die dem Baufunktionalismus seiner Zeit abgehen.

Henselmanns Biographie umfasst sämtliche Bruchpunkte des zwanzigsten Jahrhunderts: Aufgewachsen im Kaiserreich, in den Zwanzigern elektrisiert durch die weiße Moderne, im Dritten Reich als Modernist und "jüdischer Mischling" doppelt gefährdet, nach dem Krieg erst Großmeister der stalinistischen Planstadt und nach Stalins Tod wieder Avantgardist: Die Bauten, die Henselmann für Berlin um 1960 plant, streben nicht mehr nach Hausmanns Paris und Stalins Moskau, sondern nach der Leichtigkeit und Schönheit der brasilianischen Moderne von Oscar Niemeyer, der trotz allen ästhetischen Differenzen Henselmanns Allee "eine der bedeutendsten Alleen der europäischen Metropolen nennt. Von 1960 an baut Henselmann westlich modern: Seine Kongresshalle und das Haus des Lehrers mit der propagandistischen Bauchbinde, dem Fries "Unser Leben" von Walter Womacka, übersetzen die Zukunftsbotschaften der DDR in Architektur und geben der Stadt optimistische Freiheitsräume, die das auftraggebende System gleichzeitig vermauert.

Es ist ein Wunder, dass niemand bisher die Geschichte von Henselmann und seiner Familie als Roman aufschrieb. Und vermutlich ist niemand dafür besser geeignet als die Journalistin und Schriftstellerin Florentine Anders: Sie ist die Enkeltochter von Henselmann.

Ihr Roman "Die Allee" leistet zweierlei. Er erzählt mitreißend und lebendig von den Erfolgen und Nöten eines Mannes, der mit seiner Architektur einem neuen System, einer Zukunftswelt die Bühne bereiten und ihr ein wirkmächtiges Bild geben soll. Er ist aber auch ein weiter greifendes Epochendrama, in dem Henselmanns Familie einen wesentlichen Platz eingeräumt bekommt: so seine Frau Isi, die selbst Künstlerin war und mit Henselmann nicht weniger als acht Kinder hatte, darunter die Tochter Isa. Beide versuchen sich von der übermächtigen Vaterfigur zu emanzipieren. Anders schafft es, dessen große Kämpfe zum Leben zu erwecken: Hermann "liebt es, nachts zu arbeiten, das Wissen darum, dass alle anderen und vor allem seine Konkurrenten in diesem Moment schlafen, gibt ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Das spornt seinen Eifer an, das macht ihn wach, und falls das nicht hilft, nimmt er eine dieser Pillen aus der kleinen Dose. Oft kommt Hermann gar nicht nach Hause, sondern schläft die wenigen Stunden, die bis zum Tagesanbruch noch bleiben, im Büro. Im Schutz der Nacht arbeitet er unter Hochdruck an einem geheimen Plan, in den nur wenige Mitarbeiter eingeweiht sein dürfen." Innerhalb nur einer Nacht ist das Hochhaus an der Weberwiese fertig gezeichnet.

Henselmann überrumpelt seine Gegner, er gibt mit dem Entwurf dieses Hochhauses die Richtung vor. Auch seine Frau Isi, die er kennenlernte, als sie erst sechzehn war, und mit der er 1930 in einem Flugzeug nach Montreux zu seiner Baustelle flog, arbeitet jetzt in seinem Büro. "In der DDR kann auch eine Frau mit acht Kindern eine erfolgreiche Architektin sein, den Beweis gilt es anzutreten. Für das Hochhaus an der Weberwiese hat sie ihre ersten eigenen Entwürfe für funktionale Einbauküchen gemacht. Ihr Vorbild ist die berühmte Margarete Schütte-Lihotzky." Doch die acht Kinder halten Isi in Atem: Peter hat im Kaufhaus eine Uhr gestohlen, Isa wird mit zwölf von einem befreundeten Regisseur in einem Thälmann-Film besetzt, in dem sie eine Achtjährige spielt, die verzweifelt nach ihrem Papa ruft, als der von den Nazis verhaftet wird, bei der Vorführung lachen ihre Freundinnen aber über die "Papa, Papa"-Rufe, und sie verlässt gedemütigt das Kino. Henselmann besucht seine Mutter in Hamburg, die ihn für seine Arbeit im Sozialismus verachtet ("Na, kannst du jetzt jeden Tag aus dem Fenster auf euren feinen Stalin gucken, diesen Verbrecher", sagt sie höhnisch).

Je intensiver er an der großen Utopie arbeitet, desto mehr gerät ihm sein privates Leben aus den Fugen. Er beginnt eine Affäre mit einer Mitarbeiterin. Isi "wollte kämpfen, stattdessen liegt sie völlig zerstört mit Weinkrämpfen auf dem Boden, während die Kinder versuchen, sie mit Tee zu beruhigen." Sie beginnt schließlich für die Frauenzeitschrift "Sibylle" über Architektur zu schreiben; die Zeitschrift heißt so wie Isis Mutter, eine Malerin und "die erste Frau, die auf dem Einrad durch Düsseldorf fuhr".

Anders spart die dunklen Kapitel der Familiengeschichte nicht aus. Cordula, eine der Töchter, stirbt plötzlich an Leukämie, ein älterer Künstler vergewaltigt Isa in West-Berlin, erst bei Assim, einem algerischen Austauschstudenten findet sie Geborgenheit. Am schönsten ist Anders' Roman dort, wo es gelingt, mit wenigen Worten Szenen und Stimmungen zu vergegenwärtigen, die eine ganze Epoche, eine ganze Welt erklären. Wie Henselmann mit Brecht Zigarren raucht und Brecht ihm erklärt, dass die Arbeiterklasse noch nicht reif für die Moderne sei. Wie Isa am 1. Mai mit blauem Halstuch auf dem Platz steht, den ihr Vater plante, an einem Ort, der zehn Jahre zuvor nur in seinem Kopf existierte. Wie die Kinder im Sommer allein im Ferienhaus sind, "nur am Wochenende kommen Isi und Hermann vorbei, bringen ein paar Lebensmittel und lassen etwas Geld da. Bis es so weit ist, können die Kinder in der Ausflugsgaststätte Fleischmann essen und anschreiben lassen."

Es sind diese Stellen im Roman, in die man gern einziehen würde wie in ein Haus von Henselmann, in die Erzählung vom planlosen Glück endloser Sommer jenseits der Planstadt: "Mit einer Astgabel fängt sie am morastigen Seeufer Krebse, wäscht sie dann in der Regentonne, bevor sie als Delikatesse zubereitet werden. Wenn man in den Wald läuft, kommt man an die Russenbadestelle. Hier kochen die Soldaten am Abend über einem Feuer in einem großen Topf Fischsuppe mit viel Knoblauch." Die Utopie im Leben der Tochter Isa ist nicht der Sozialismus, sondern Algerien: Sie malt sich das Leben mit Assim in Algier aus, "die schmalen Gassen der Kasbah, das leuchtende, tiefe Blau, mit dem die Berber ihre Türen streichen, um das Böse fernzuhalten, und das Ocker des Atlas-Gebirges. Sie spürt die salzige Luft des Mittelmeers auf der sonnengewärmten Haut, sieht sich mit Assim am Strand von Algier spazieren." So kommt 1968 auch die Geschichte der Frauen im Zentrum der größten gebauten sozialistischen Utopie an einen Punkt, an dem jenseits des Pflasters vor allem der Strand lockt.

Florentine Anders: "Die Allee". Roman.

Galiani Verlag,

Berlin 2025.

352 S., geb.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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LovelyBooks-BewertungVon karatekadd am 25.08.2025
Kurzweilig, spannend, informativ. Intensiver Rückblick in die Geschichte. DDR, Architektur, Familie, Politik, Baugeschichte Selbst wenn man die Ankündigung des Buches nicht gelesen hat, fällt einem das Thema mit Blick auf das Cover unmittelbar vor Augen. Der Berliner-Fernsehturm und das Hochhaus an der Weberwiese, welches allerdings nicht zwischen die Kongresshalle und das Haus des Lehrers am Alexanderplatz gehört. Kaum einer wird das Gesicht des Herrn in den besten Jahren dem Hermann Henselmann zuordnen, der an DER ALLEE einen großen Anteil hat. Gemeint ist die Stalinallee, die heute Karl-Marx-Allee heißt und vom Strausberger Platz bis zum Frankfurter Tor führt.Die Damen hinter dem berühmten und etwas exzentrischen Architekten mit Hang zur Bauhaus-Tradition sind seine Frau Irene "Isi" und beider Tochter Isa. Über diese schreibt nun Florentine Anders, Enkelin von Herrmann und Isi, Tochter von Isa.Architekturgeschichte gekoppelt mit der Geschichte einer Familie.Inhalt:Prolog 1960. Mit einem Autounfall beginnt das Buch, Ausgangspunkt für eine schwierige Familienerzählung. Dinge, über die nie gesprochen wurde, eine Verlobung, die sich liest wie zum Ausgang des 19. Jahrhunderts - Politik, sogar Ost-Westpolitik spielt da mit rein. Jähzorn und Gewalt und Geschwister mit ganz unterschiedlichen Rückblicken."Es sind Bausteine eines Lebens, die ich hin und her wende und für sie (die Mutter) zusammensetze, so wie sie zu passen scheinen, ohne Anspruch auf Wahrheit. Denn auch meine Mutter hat in ihrem Gedächtnis die unerklärlichen Leerstellen längst mit erfundenen Geschichten ausgemalt." (Seite 8)Doch dann schickt die Autorin die Leserinnen und Leser erst einmal ins Jahr 1931, die Zeit, in der Isi einen etwas älteren Architekten kennen lernt. Das ist dieser Herrmann Henselmann. Bauen will der, modern bauen. Er kommt an bei reichen Leuten, auch wenn der Verdienst auf sich warten lässt. 1942 kommt Isa zur Welt, das fünfte Kind von acht plus eine Abtreibung ganz zu Beginn.Die "Baubiografie" liest man, wenn man einen schnellen Überblick will, am besten bei Wikipedia nach.Ob die Stalinallee so bekannt wäre, wenn sie nicht mit den Demonstrationen der Bauarbeiter um den 17. Juni 1953 verbunden wäre? Frau Anders verknüpft das Datum mit Erlebnissen von Großmutter und Mutter. Das Thema "sozialistischer Realismus" wird durch den Bau des Haus des Lehrers hervorgehoben und wir lesen, dass da ein Architekt als solcher arbeiten will, jenseits vor Stereotypen.Henselmann hat gern viele bedeutende Leute um sich rum, die vielen Kinder wohnen selbst in der elterlichen Wohnung abseits von den Eltern. Der Baukünstler wird natürlich auf Brigitte Reimann (1963) aufmerksam, die Wohnungsbau und Industriebau in ihren Büchern behandelte. Erwähnt wird die Erzählung "Die Geschwister".Der Wohnungsbau: Die Wohnungen der Karl-Marx-Allee, des Weber-Hochhauses sind großzügig geschnitten und hell und modern. Für solche Wohnungen legt sich Henselmann, zeitweise im VEB Typisierung beschäftigt, auch mit Stadt und Partei an. Er will variabel bauen:"Wir brauchen keine typisierten Wohnblöcke, bei denen die Wohnzimmer nur in die eine und die Eingänge nur in die andere Himmelsrichtung ausgerichtet sein können. Wir brauchen kleinere Elemente, die variabel sind, die Spontaneität zulassen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen angepasst werden können.. Mit der aneinandergereihten Aufstallung von Wohnblöcken ist nichts erreicht, schon gar nicht eine sozialistische Lebensweise." (Seite 199Die geschwungenen Häuserzeilen am Volkspark Friedrichshain / Leninplatz geraten viel zu teuer und bleiben eine Ausnahme.So lernen Leserinnen und Leser "Bauen in der DDR" im Zusammenhang mit einer großen in ihrer Art besonderen, widersprüchlichen, teils exzentrischen Familie kennen.Eine Schwägerin ist bis 1966 mir Robert Havemann verheiratet, ein Freund Wolf Biermann. Als dieser ausgebürgert wird verweigert Hermann Henselmann die Unterschrift unter der Petition, die ihm Manfred Krug hinhält. Er ist zwar gegen die Ausbürgerung, kann aber den Sänger nicht leiden - erzählt die Enkelin.Am Ende stellt die DDR-Regierung kurz vor der deutschen Einheit die Karl-Marx-Allee unter Denkmalschutz, Hermann Henselmann zweifelt am Sinn eines zwei Kilometer langen Baudenkmals. Im Jahre 1992 stellt er Überlegungen für ein neues modernes Zentrum von Berlin an. Soll das Berliner Stadtschloss wieder aufgebaut werden, da wo der Palast der Republik steht?Florentine Anders macht die Leser mit einem gänzlich anderen Bild, einer anderen Vorstellung vertraut, die vom heutigen (aus meiner Sicht gelungenen Berliner Stadtschloss) entschieden abweicht: eine "zauberhafte Landschaft".1995 stirbt Hermann Henselmann kurz vor seinem 90. Geburtstag. Isi, die Großmutter und Isa, Florentines Mutter ziehen wieder ins Haus des Kindes an den Strausberger Platz. Die Großmutter sorgt für ein Kennenlernen der riesigen Familie. Und Onkel Andreas vertritt die Rechte des verstorbenen Vaters. Nun steht es fest: Der Ideengeber für den Turm der Signale (Fernsehturm) war Hermann Henselmann.* * *Das Buch:Wie erzählt man Geschichte? Baugeschichte UND DDR-Gschichte UND Familiengeschichte? Es sind immer kurze Episoden, denen die jeweilige Jahreszahl vorangestellt wird. Keine langen Ausführungen zu bestimmten Geschehnissen, sei es die Zeit des Nationalsozialismus, der Nachkriegsjahre, der noch jungen DDR mit bekannten Eckdaten. Immer geht es um ein Mitglied der Familie Henselmann, oft um Großvater Hermann und Großmutter Irene (Isi).Hermann Henselmann ist kein sympathischer Held, Florentine anders ergreift Partei für die Mutter (Isa), welche Gewalt des Vaters erleben musste und zeitlebens Angst empfand, wenn sie das elterliche Haus oder Wohnung betrat.Henselmann ist aber auch nicht der stalinistische Architekt, reduziert auf die Stalinallee. Vermutlich staunen viele Berliner und Berlinerinnen darüber, an welchen Projekten der Mann beteiligt war. Das City-Hochaus in Leipzig, der Jenaer Universitätsturm-Turm. Beeindruckt hat mich, was die Enkelin zum Wohnungsbau ausführte, der Dresdner Blogger sieht die unterschiedlichen Neubaugebiete seiner Stadt vor sich und versteht plötzlich die wenigen, immergleichen Typen, sieht, dass unterschiedliche Bauzeiten unterschiedliche Gestaltung des Umfeldes und des Platzes ermöglichten. Es waren also nicht einfach nur Plattenbauten.Ein sehr interessantes, kurzweiliges, zeitweise nachdenklich machendes Buch, ein generationsübergreifendes Porträt von Familie, Städten und Gesellschaft. Im dessen Mittelpunkt stehen Fragen nach Identität, Erinnerung und Veränderung. "Die Allee" ist der Ausgangspunkt, von dem es zurück und vorwärts geht.* * *Florentine Anders sitzt im Vorstand der Hermann-Henselmann-Stiftung.
Von Ancla Müller am 24.07.2025

Familientragödie in der DDR-Zeit

**** Worum geht es? **** Beides stimmte: Hermann hätte alles für seine Kinder getan., Hermann hätte jedes seiner Kinder verkauft. Wie das möglich ist? Das erfährt man auf dieser einzigartigen und sehr persönlichen Reise in die Vergangenheit. **** Mein Eindruck **** Selten habe ich die DDR und das Leben einer Familie mit all ihren Eigenheiten so intensiv erlebt. Ich tauchte ein in die Welt von Mutter und Künstlerin Isi, Vater und Lebemann Hermann sowie Tochter Isa, die ihren eigenen Weg gehen will. Die Erzählweise aus diesen drei Perspektiven sorgt für Abwechslung und Tiefe. Die Handlung erstreckt sich szenisch über mehr als ein halbes Jahrhundert und ist emotional dicht, auch wenn die Sprache der Autorin eher nüchtern und sachlich daherkommt. Genau dieser Kontrast hat mir gefallen: die trockene Sprache trifft auf intensive, bewegende Inhalte das ergibt eine faszinierende Dynamik. Der Klappentext legt einen stärkeren Fokus auf die Architektur bedeutender DDR-Bauten nahe, doch dieses Thema bleibt im Buch eher im Hintergrund. Es wird zwar gestreift, spielt aber insgesamt eine untergeordnete Rolle daher ein kleiner Punktabzug. Was bleibt, ist ein Roman mit großer Tiefe und einem eindringlichen Porträt familiärer Verstrickungen. Besonders die stillen, authentischen Zwischentöne haben mich berührt. Das Buch vermittelt ein feines Gespür für die Zeit, für die Rollen der Frauen und ihren Wunsch nach Freiheit leise, aber wirkungsvoll erzählt. **** Empfehlung? **** Für alle, die sich für Familiengeschichten mit historischem Hintergrund interessieren. Wer echte Tiefe sucht, wird in diesem Roman vieles finden: Schmerz, Hoffnung, Widerstand, Sehnsucht und eine Gesellschaft im Wandel.
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