Nur selten sind Romane hanebüchen und interessant zugleich. Dieser vorgebliche Kriminalroman ist so ein Kandidat.Bernhard Lieblig ist verschwunden. Bei der Obrigkeit seines Auftraggebers in der Schweiz gibt man sich aufgeschreckt und befürchtet einen Alleingang. Denn Lieblig, über dessen Namen man ständig beim Lesen stolpert, weil irgendetwas an ihm falsch zu sein scheint, soll für einen Konzern ein Aroma finden, das Konsumenten zu permanenten Fressattacken verführen kann. Eine Goldgrube für einen Lebensmittelhersteller.Hier nun beginnt der interessante Teil des Romans, man lernt nämlich eine Menge über die Panscherei bei Lebensmitteln. Der Autor dieses Buches kennt sich aber nicht nur auf diesem Gebiet aus. Er weiß auch viel über Geschichte und Kultur des muslimischen Raums am südlichen Mittelmeer. Kulturen, so schreibt er, entwickeln sich nicht linear. Ganz im Gegenteil: Am Beispiel des Römischen Reiches kann man sehen, wie mit einer untergegangenen Kultur auch Wissen und Technologien verschwinden. Im arabischen Raum sei das nicht anders gewesen, berichtet Harms. Die Muslime hätten den Völkern der iberischen Halbinsel nicht nur eine lang andauernde Besetzung beschert, sondern ihnen auch Esskultur beigebracht, was sich dann auf ganz Europa ausbreitete. Leider scheint das bei ihnen selbst im Laufe der weiteren Geschichte wieder verlorengegangen zu sein.Solche kulturhistorische Ausritte mögen für einen Kriminalroman und manche Leser etwas gewöhnungsbedürftig sein. Und wenn ein Autor das auch noch gelegentlich ziemlich übertreibt, dann kann es schnell kritisch werden. Mir fiel besonders der Anfang etwas schwer. Später dann wurde der Lesefluss geschmeidiger, was wohl auch daran liegt, dass Florian Harms intelligent schreibt und dann auch noch einen Privatermittler einführt, der hinreichend sympathisch ist.Völlig hanebüchen ist jedoch die eigentliche Handlung. Erst einmal ist Bernhard Lieblig über dem Atlas abgestürzt, hat als einziger überlebt und ist anschließend von der Bühne verschwunden, was in der Schweiz die Alarmglocken schwingen lässt, denn man vermutet zu recht, dass er sich abgesetzt hat und alleine den Milliardenschatz sucht. Auf seine Spur begeben sich voneinander getrennt und unabhängig Privatermittler Walter Calanda und Sohn August Lieblig. Den Junior erwischt es gleichermaßen überm Atlas. Diesmal überleben alle, aber auch der Junior verschwindet. Leider ist sein Pass abhandengekommen. Das hält ihn aber nicht davon ab, seinem Vater über Tunesien und Libyen bis nach Syrien zu folgen.In nebulösen Einschüben ("im Turm") kommt mitten in der vielschichtigen Handlung ein geheimnisvoller Orden ins Spiel, die sich als die "Bewahrer" bezeichnen und die dem muslimischen Erfinder der europäischen Esskultur folgen, der offenbar noch ein ganz anderes Geheimnis hatte, das vor den Unwissenden und Unreinen bewahrt werden muss. Man ahnt schon: Das hat etwas mit dem geheimnisvollen Aroma zu tun. In Wahrheit steckt aber selbstverständlich noch mehr dahinter. Verraten werden kann man das hier nicht. Nur so viel sei gesagt: Obelix lässt grüßen.Das Ende ist dann ebenso hanebüchen wie die ganze Geschichte und nichts für Leute mit Flugangst. Wären nicht der interessante Hintergrund und der durchaus angenehme und intelligente Erzählstil, dann hätte ich dieses Buch wohl nicht zu Ende gelesen. Irgendwie habe ich mich aber trotz einer gelegentlichen, aber nicht unerheblichen Weitschweifigkeit seines Autors recht gut unterhalten gefühlt. Als Kriminalroman kann man dieses Buch nur bezeichnen, wenn man diesen Bereich sehr weit fasst. Man kann diesem Buch je nach Erwartungshaltung und persönlichem Geschmack jede Bewertung geben. Meine ist vielleicht für manche Leser zu gutmütig. Ich habe mich nicht oft gelangweilt. Das ist schon mal was wert.