Besprechung vom 31.07.2025
Endlich wieder Exportweltmeister!
Was soll Deutschland mit 20.000 Elefanten tun? Die Erfolgsautorin Gaea Schoeters macht eine polemische politische Bemerkung zum Ausgangspunkt einer Satire.
Wenn irgendjemand im Laufe der letzten zwölf Monate im deutschen Sprachraum Lektüreempfehlungen gesammelt hätte, dann wäre der meistgenannte Roman wohl "Trophäe" gewesen, Gaea Schoeters' Moralstück über die postkoloniale Arroganz des weißen Mannes. Allenthalben Begeisterung, bei professionellem wie Gelegenheitspublikum, und das angesichts einer bitterbösen Handlung, die einen amerikanischen Geschäftsmann mit Großwildjägerambitionen nach "Afrika" verschlägt (natürlich weiß der Mann gar nicht genau, wo er dort ist), um seine Sammlung an Big-Five-Trophäen vollzumachen. Angesichts der Schwierigkeiten, ein Nashorn zu erlegen, erweitert er schließlich auf Big Six: Die Menschenjagd kommt dazu. So kurz referiert und so schwarz (-humoristisch, nicht -afrikanisch).
Auf Flämisch, der Sprache, in der die 1976 geborene belgische Autorin schreibt, erschien "Trophäe" schon 2020. So ist es nicht verwunderlich, dass Schoeters nun bereits ihren Nachfolgeroman veröffentlichen kann; diesmal, des großen Vorgänger-Erfolgs wegen, nahezu gleichzeitig auf Flämisch und Deutsch. "Das Geschenk" heißt er, und darin dreht sie den Spieß um. Ein Afrikaner kommt nach Berlin - und wir sind natürlich so sensibilisiert, dass wir das Herkunftsland nennen: Botswana. Dieser unerwartete Gast steht an der Spree und macht Probleme. Denn es handelt sich um einen Elefanten, und niemand weiß, wie der dahin gekommen ist. Noch am selben Vormittag werden weitere vierundfünfzig Sichtungen in der Hauptstadt vermeldet. Nach hundert Tagen ist ganz Deutschland voller Elefanten.
Botswana? Elefanten? Deutschland? Da war doch etwas. Vor einem Jahr, "Trophäe" war kaum erschienen, erwog das Bundesumweltschutzministerium ein Einfuhrverbot für Jagdtrophäen, und der botswanische Präsident Mokgweetsi Masisi erläuterte der "Bild"-Zeitung sein Unverständnis darüber, weil sein Land unter zu vielen Elefanten leide. Gerne wolle er 20.000 Tiere nach Deutschland abgeben, wenn man dort so sehr an deren Leben hänge. Aus dieser damaligen Schlagzeile entwickelte Schoeters ihre Romanidee.
Masisi heißt im Buch Tebogo, aber er hat darin nur einen Auftritt, als er dem deutschen Bundeskanzler Hans Christian Winkler mitteilen lässt, dass er die 20.000 Elefanten erfolgreich verschickt habe. Auf welchem Transportweg und wie an den Einfuhrkontrollen für Elfenbein vorbei, darüber lässt Schoeters sich nicht aus - eine Satire wie diese braucht keine Plausibilität. Wichtig ist, dass sie überspitzt, und das ist gewährleistet. Binnen kürzester Zeit - 45 Tage - verliebt sich Deutschland in die neuen Mitbewohner. Die populistische Opposition versucht zwar, Winkler mit der Thematisierung der anstehenden Fäkalienflut ans Zeug zu flicken, doch als der Kanzler seine bärbeißige Parteikollegin Hannelore Hartmann zur Ministerin für Elefantenangelegenheiten ernennt, wird selbst das Ausscheidungsproblem gelöst und Deutschland zum Dünger-Exportweltmeister.
130 Seiten nur ist der Romantext lang, und niemand wird es überraschen, dass die Handlung der ersten 75 zu schön ist, um wahr zu sein. Aufs Märchen folgt der Absturz, und wie konsequent er ist, möge man selbst nachlesen. Natürlich geht es Schoeters bei ihrer Satire viel mehr als um die aus dem Zorn geborene Phantasieankündigung Masisis von 2024 um die reale Zuwanderungsgenehmigung von Hans Christian Winklers Amtsvorgängerin im Jahr 2015. Und so wird aus "Das Geschenk" dann doch eine Reprise der Bitterbosheit von "Trophäe".
Es sollte indes überraschen, wenn der neue Roman dieselbe Begeisterung wie der Vorgänger auslöste. Denn hier ist es nicht ein einzelner uneinsichtiger weißer Mann, über den wir erschrecken und lachen dürfen, sondern Schoeters zeichnet mit dem scharfen Blick der Nachbarin ein wenig vorteilhaftes Porträt unserer Gesellschaft - und das nicht einmal als Zerrbild. Wenn man von ihren Politikerfiguren absieht - von Kanzleramtschef Otto Berg bis Oppositionsführer Holger Fuchs.
Nach 391 Tagen ist es aus mit der deutschen Sympathie für Elefanten: "Mit einem kurzen Tippen auf sein iPad öffnet Otto Berg den X-Account von Fuchs. Auf dem Bildschirm erscheint ein Foto von Fuchs an der Spree. Hinter ihm, neben dem Bundeskanzleramt, steht ein Elefant - oder besser gesagt, ein Deepfake von einem Elefanten mit dem Gesicht von Winkler. Darüber steht: Weg mit dem alten Elefanten. Es wird Zeit für eine neue Regierung. Der Post hat schon mehr als eine halbe Million Personen erreicht." Kommt uns das bekannt vor? Das soll es auch. Aber gerade weil das so offensichtlich ist, wird Schoeters' Buch diesmal moralinsauer. ANDREAS PLATTHAUS
Gaea Schoeters:
"Das Geschenk". Roman.
Aus dem Niederländischen von Lisa Mensing. Zsolnay Verlag, Wien 2025.
141 S., geb.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.