Also gut, ich hab mich in Kipppunkte von Georg Diez gestürzt wie ein Eichhörnchen in eine Tüte Studentenfutter neugierig, skeptisch, leicht verwirrt, aber am Ende ziemlich zufrieden. Diez nimmt mich mit auf eine Reise in die 90er, dieses wilde Jahrzehnt, das irgendwo zwischen Diddlmäusen und Deregulierung alles vorbereitet hat, was heute knirscht. Und ja, manchmal fühlt sich das Buch an wie ein Spaziergang durch ein Museum, bei dem der Guide plötzlich anfängt, mit dir über deine eigenen Zukunftsängste zu plaudern.
Diez schreibt mit Wumms, mit Witz und einer ordentlichen Portion Weltschmerz. Er verknüpft Politik, Popkultur und persönliche Reflexionen zu einer Art intellektuellem Cocktail manchmal ein bisschen zu stark gemixt, aber hey, wers gerne unfiltriert mag, kommt auf seine Kosten. Besonders gefallen hat mir, dass er eben nicht bloß den Zeigefinger hebt, sondern mit so einer rotzigen Hoffnung kommt, die fast schon ansteckend ist. Fast!
Klar, ab und zu verliert er sich in Nebensätzen, als wollte er alle Gedanken auf einmal rauslassen, bevor sie abhauen. Da musste ich schon mal zurückblättern, um zu checken, was er eigentlich sagen wollte. Aber das ist okay. So ist das halt mit Büchern, die mehr wollen als nur unterhalten sie fordern dich heraus, deinen eigenen Denkkäfig aufzubrechen.
Was bleibt, ist das Gefühl, dass die 90er nicht bloß Retro-Chic sind, sondern ein Schlüssel zu unserem heutigen Kuddelmuddel. Und dass wir vielleicht doch noch was reißen können wenn wir uns trauen, nicht immer denselben Mist zu wiederholen. Ich gebe vier Sterne, weil das Buch schlau, mutig und angenehm unbequem ist. Und weil ich jetzt ein bisschen mehr weiß, warum ich mich in dieser kaputten Gegenwart manchmal so seltsam nostalgisch fühle.