Zuerst ruinieren die Unwetter alles und dann das. Wollen mir vorschreiben, was ich alles kaufen muss, damit der Hof wieder läuft. Norbert wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Aber wer kann sich das schon leisten. Du hast ja keine Ahnung, wie es ist. Wenn das Einzige stirbt, was man noch hat. Ein Geräusch aus seiner Gurgel, wie ein Ballon, der Luft verliert. Wir müssen eben neu anfangen.
Neu anfangen, ha, wenn ich das schon höre. Kinder können neu anfangen. Und Idioten. Wir werden nicht verdursten, wir werden verhungern.
Es ist ein düsteres und freudloses Mitteleuropa, in das Jürgen Bauer uns in Ein guter Mensch verklappt. Die Menschheit hat kein Mittel gefunden: nicht gegen den Klimawandel, die Hitzen, Dürren und Fluten; nicht gegen die Verteilungsungerechtigkeit der Ressourcen auf dem Planeten; nicht gegen den Mangel des wertvollsten aller Rohstoffe und dessen Privatisierung: Wasser. Es gibt seit Monaten Notfallpläne, die Trinkwasserversorgung fällt aus, der hektische Alltag, wie wir ihn noch kennen stirbt genauso wie die Grünflächen, Parks und Balkonpflanzen. Die Festung Europa wird ein Bollwerk gegen die vielen Menschen, die kommen, weil sie noch weniger Wasser und ein noch unwirtlicher verwüstetes Heimatland haben.
Marko, aus dessen Sicht Bauer aus einem Sommer eines nicht näher benannten Zukunftsjahres erzählt, ist noch einer von den Privilegierten: Er hat noch einen Job. Bei der Notwasserversorgung, die die Rationen bringt. Er kann etwas Gutes tun. Ein guter Mensch sein, wie er sagt. Er muss sich kümmern. Um seine taumelnden Freunde, seinen alkoholkranken großen Bruder. Und die Argumente-Torpedos abwehren, die sein Beifahrer und Freund immer wieder abfeuert, der findet, dass das alles nicht so weitergehen kann.
Es ist ein erschütterndes Buch. Ein kluges Buch. Ein fesselndes Buch. Ich habe es in einem Rutsch gelesen. In seinem Ton, der faszinierend und abschreckend zugleich ist, erinnert es stellenweise an Hool von Winkler. Allzu fern kann die Zukunft nicht sein, die Bauer skizziert. Die Leute erinnern sich noch an Fury in the Slaughterhouses Time to wonder wenn sie an ihre Jugend denken. Und sie erinnern sich an die düsteren Zukunftsszenarien, die sie ignoriert haben, weil die Zukunft ja weit weg ist. Und dann kam die Zukunft früher...
Dabei macht Bauer viele zentrale Fragen auf: Was ist das, ein guter Mensch? Einer der vernünftig ist, das System stützt, gerade wenn es schwierig ist? Oder der, der rebelliert, scheinbar unvernünftig agiert - aber die Freude und das Spiel in diese hoffnungslose Gegenwart zurückholt? Wer bringt der Gesellschaft mehr Sinn? Wie viel Regelhörigkeit ist angebracht in Krisenzeiten - und auf wen ist noch Verlass? Was zählt noch wirklich im Leben, wenn es nicht einmal mehr genügend Wasser gibt, um das Geschirr zu spülen? Und was macht es mit den Menschen, wenn das Überlebensnotwendigste knapp geworden ist - und der globale Verteilungskampf sich nicht mehr um Geld, Einfluss und Wohlstand dreht, sondern ein wortwörtlicher Überlebenskampf jedes Einzelnen ist?
Das Buch fragt und beschreibt. Antworten muss sich der Leser selbst. Das ist klug komponiert. Aber für meinen Geschmack lässt der Autor die Geschichte zu früh zurück - oder mit zu vielen losen Enden liegen. Das ist aber auch alles, was es zu kritisieren gibt.