Katharina Feist-Merhaut hat mit "sterben üben" ein berührendes und zutiefst persönliches Debüt geschrieben, das sich den existenziellen Fragen rund um das Thema Tod und das Sterben widmet. Die Autorin, die 1990 in Wien geboren wurde und ihre Ausbildung im Bereich Literatur in Leipzig und Wien absolvierte, bringt in diesem Werk ihre eigene Auseinandersetzung mit dem Sterben ihrer Großmutter literarisch zu Papier. Sie reflektiert über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Tod, mit Pflege und der großen Verantwortung, die auf den Schultern derjenigen lastet, die sich um Sterbende kümmern.
Worum gehts genau?
In Sterben üben begleitet die Erzählerin ihre Großmutter über einen langen Zeitraum, wobei sie intensiv deren Erfahrungen und Gedanken zum Thema Sterben aufzeichnet. Ihre Großmutter, eine humorvolle und schlagfertige Frau, öffnet sich ihr und teilt ihre Erinnerungen an verstorbene Ehemänner und das Altern. Während die Großmutter zunehmend auf Pflege angewiesen ist, stellt sich die Erzählerin ihren eigenen Ängsten und Erfahrungen mit dem Tod, auch in Bezug auf einen Doppelsuizidversuch in ihrer Familie. Die Fragen, die dabei aufgeworfen werden, sind universell: Wie gehen wir mit dem Ende um? Was bedeutet es, zu sterben, und wie können wir uns darauf vorbereiten?
Meine Meinung
"sterben üben" ist kein einfaches Buch, sondern ein vielschichtiges und emotional aufgeladenes Werk, das mir beim Lesen viele Gedanken und Gefühle aufgeworfen hat. Die Autorin schreibt über ihre Großmutter in einer Art, die gleichzeitig intime Nähe und distanzierte Reflexion ermöglicht. Die teils tagebuchartige Struktur des Textes, die Notizen, Sprachaufnahmen und Erinnerungen integriert, bringt eine große Authentizität und Unmittelbarkeit in das Buch. Es ist ein Werk, das sich durch Beobachtungen, Gespräche und das Wahrnehmen von Details auszeichnet, die in ihrer Einfachheit & Alltäglichkeit berühren.
Für mich war vor allem die Frage nach der Verantwortung in der Pflege und der Belastung, die damit einhergeht, von zentraler Bedeutung. Die Autorin schildert, wie sie als einzige, die direkt bei der Großmutter lebt, zunehmend in die Rolle der Pflegerin gedrängt wird. Der Druck, diese Verantwortung zu tragen, wird in dem Buch spürbar sie ist fast körperlich, so wie der Verlust von Kontrolle über das eigene Leben, der mit dem Alter einhergeht.
Eine zärtliche und zugleich schmerzvolle Darstellung des Alterns und der letzten Lebensjahre, die sich durch die Gespräche der Erzählerin mit der sterbenden Großmutter herauskristallisieren. Es ist ein Gespräch zwischen zwei Menschen, die sich in ihrem Verhältnis zum Tod nie ganz einig werden können, aber in ihrer Nähe zueinander eine Form von Verständnis finden. Ich fand auch die Reflexionen über eigene Erfahrungen mit dem Tod, insbesondere der Doppelsuizidversuch der anderen Großeltern, sehr bewegend. Diese Vergangenheit prägt die Erzählerin und spiegelt sich in ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben wider.
"sterben üben" spricht Themen wie Trauer, Abschied, Fürsorge, Machtverhältnisse innerhalb der Familie und den Umgang mit den eigenen Ängsten und Erlebnissen an. Was für mich besonders faszinierend war, ist die Verbindung zwischen der persönlichen Geschichte und den universellen Fragen des Lebens und Sterbens. Die Autorin macht es uns Leser:innen schwer, sich diesen Themen zu entziehen das Buch fordert zum Nachdenken auf und zeigt auf, wie schwierig es ist, sich dem Thema Tod zu stellen, während gleichzeitig die Möglichkeit besteht, auf eine tiefere Weise zu leben.
Fazit
Ich gebe "sterben üben" 4 von 5 Sternen. Das Buch ist in seiner Tiefe und Intimität ein eindrucksvolles Debüt, das mich mit seinen Fragen und Gedanken beschäftigt hat. Die Autorin schafft es, das Thema Sterben auf eine Weise zu behandeln, die sowohl schonungslos als auch einfühlsam ist. Jedoch fand ich, dass an einigen Stellen mehr in die Tiefe gegangen werden könnte, besonders in Bezug auf die literarischen Verweise, die für mich manchmal mehr ablenkten als zur Geschichte beitrugen. Insgesamt bleibt "sterben üben" ein bemerkenswertes Werk, das mich emotional berührt hat und zum Nachdenken anregt.