Besprechung vom 15.06.2025
Besondere Vorkommnisse
Wenn Sterne erzählen
"Aura" war Jugendwort des Jahres 2024, im Kontext der amerikanischen Wahlen war von einem "Vibe Shift" die Rede, und Feenstaub-Glitzersymbole tauchen bei Google, Adobe und Zoom als Symbol für Künstliche Intelligenz auf: Esoterik ist längst nicht mehr, nun ja, esoterisch, im Sinne von verschlossen oder nur für Eingeweihte zugänglich. Das Romandebüt der Journalistin Katja Kullmann, die bisher vor allem erzählende Sachbücher geschrieben hat, kommt damit genau zur richtigen Zeit: "Stars" (Hanser Berlin, 24 Euro) erzählt von einer unzufriedenen Büroangestellten, die zur Starastrologin wird, nachdem sie eine Kiste mit 10.000 Dollar vor ihrer Tür findet. Anfangs glaubt sie selbst kaum an Astrologie, doch je mehr sie sich der scheinbaren Kontrolle der Sterne ergibt, desto freier wird sie paradoxerweise, und andersherum. Das liest man gut unterhalten, aber auch leicht angespannt auf die Pointe wartend, die erst auf den allerletzten Seiten folgt. Nur um sich dann zu fragen, ob die eigentliche Pointe nicht schon viel früher kam, vielleicht in Form der Stabilität schenkenden Geldkiste. Auch einige andere Pointen hätte das Thema hergegeben, zu konkreten aktuellen Erscheinungsformen von Esoterik oder magischem Denken und ihrer politischen Bedeutung, die tauchen aber nicht auf. Vielmehr oszilliert "Stars" angenehm uneindeutig zwischen den Interpretationen und entfaltet so seine leichtfüßige Auseinandersetzung mit Zufall, Schicksal und der Frage, welche Ordnung wir über unser Denken bestimmen lassen. elif.
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