Eine Art von Roadmovie in der Literatur hatte ich mir vorgestellt, das traf es nicht ganz. Trotz anderer Erwartungen fand ich diesen Roman nicht schlecht, denn er war so schön gegen den Strich gebürstet. Was mir sehr gut gefiel und überhaupt generell gefällt.
Ayla, die Heldin des Romans, lebt mit ihrer Mutter Hava und ihrem Bruder Yasin in einer erzwungenen Familienzusammenstellung in Deutschland. Hava durfte ihre Jugendliebe in der türkischen Heimat nicht heiraten, das hat ihr Vater Mesut energisch verhindert. Stattdessen bekam sie, die Entehrte, einen todtraurigen Mann, der seine Familie durch ein Unglück verloren hatte und dem im Prinzip alles egal war. Er hätte jede Frau genommen, die ihm angetragen worden wäre. Und Hava wollte ihn auch nicht, aber ihr blieb nichts anderes übrig. So träumte sie ihr ganzes Leben in Deutschland lang von ihrer türkischen Jugendliebe: Alp. Trotzdem entsprangen der unglücklichen Verbindung diese zwei Kinder: Ayla und der jüngere Yasin.
Hava träumte einst vom vollkommenen Glück, von Freiheit, ohne Schatten, wie man es sich nur als junge Frau vorstellen kann. Weil man das Dunkel noch nicht sah, das schon bereitstand. (Seite 73)
Viel wird von Mesut erzählt, dem Vater und Großvater, der früh seine Ehefrau verloren hat. Mesut der Geschichtenerzähler, der Teestubenbesucher, der Müllturmbauer, der Raki-Trinker. Er versuchte, seinen persönlichen Traum zu leben, was er einer seiner Töchter nicht zugesteht.
Eines Tages, da ist die Ehe von Hava und Ertan in Deutschland schon lange am Ende, da wird vom Ersparten ein Führerschein gemacht, ein Mercedes gekauft und nach Anatolien gefahren und ENDLICH die Jugendliebe gesucht. Aber es gibt im Vorfeld nur spärliche Informationen. Leicht wird es also nicht. Da ist Ertan, der stets traurige Vater, schon lange woanders und Ayla wird ihn nie wiedersehen.
Früher fuhr die unglückliche Familie gemeinsam in den Sommerferien in die Türkei: Hava und die Kinder zum Vater / Großvater Mesut und Ertan in sein Gebirgsdorf, allein, zum Trauern.
Das Ende hat mir überaus gut gefallen, was hier aber nicht verraten werden soll. Hier dreht Lenz Koppelstätter nochmal so richtig auf und zeigt, was er kann. Da hat er sich für meinen Geschmack noch einen ganzen Stern dazu verdient.
Fazit: Für Leser, die sich für fremde Kulturen interessieren, eine gute Wahl, die erfreulich aus dem Einheitsbrei herausragt. Und der Autor kennt, wovon er schreibt.