Besprechung vom 01.10.2020
Blond und schlank, das war einmal
"Paris, c'est une blonde" trällerte die Mistinguett 1926 von der Revuebühne. Und so rief es bis in die Siebziger von den Wänden der Métroröhren. In der im Chanson besungenen Blondine, die jedem gefällt, dürfte sich vermutlich keine der in diesem Buch vorgestellten "Aktivistinnen, Kreativen, Heilerinnen, Lehrerinnen, Visionärinnen und Macherinnen" wiedererkennen. Heute geht es der Pariserin nicht mehr darum, zu gefallen, sondern Paris zum Epizentrum der Frauenbewegung zu machen. So jedenfalls lautet das Credo der amerikanischen Autorin und Bloggerin Lindsey Tramuta, die Paris zu ihrer Wahlheimat gemacht hat. "Die Zeiten von Edith Piaf und Brigitte Bardot sind längst vorbei", erklärt etwa die senegalesischstämmige Filmemacherin und Antirassismus-Aktivistin Rokhaya Diallo. Und verrät - wie alle in diesem etwas anderen Reiseführer vorgestellten Frauen - ihre Lieblingsgeschäfte, -bars und -bistros. Eines haben die Empfehlungen gemein: Dahinter stehen immer eine starke Frau und ein Anspruch "im Geiste von Female-Forward" plus MeToo-Debatte plus LGBTQ-Bewegung. Was das Buch zum Manifest macht. In einem Land, in dem 2018 von tausend Persönlichkeiten, über die am meisten berichtet wurde, nur 15,3 Prozent weiblich waren, in einer Stadt, in der sich laut Victoire de Taillac, Mitbegründerin eines auf Natürlichkeit setzenden Kosmetiklabels, das Bild der Frau seit Generationen nicht verändert habe - "sie ist weiß und schlank" -, kommt die gebündelte Kraft dieser fünfzig Frauen gerade recht.
ksi.
"La Parisienne. Das neue Paris - Die Stadt der Frauen" von Lindsey Tramuta, mit Fotos von Joann Pai. Midas Verlag, Zürich 2020. 320 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden
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