Coverliebe auf den ersten Blick! Hinter der Leichtigkeit und Farbenpracht, die das Cover ausstrahlt, steckt eine tiefsinnige, fesselnde und nachdenklich machende Geschichte über 3 Frauen, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden bzw. verloren haben, sich selber reflektieren müssen, den Mut haben neue Wege zu gehen, die Hoffnung nicht aus den Augen verlieren und dabei mit der Vergangenheit von geliebten Menschen konfrontiert werden. Die Geschichte steckt voller Tragödien und gleicht einem Puzzle, das Stück für Stück raffiniert zusammengesetzt wurde, mich neugierig auf die fortlaufenden Geschehnisse und die Offenlegung der Geheimnisse machte und mich am Ende mit den Zusammenhängen und der Auflösung überrascht hat. Alle Haupt- und Nebencharaktere sind so vielseitig ausgearbeitet worden, haben ihre guten und schlechten Seiten, transportieren reichlich Gefühle und erscheinen daher so lebensnah und authentisch.
Was verbindet die auf der Überholspur befindliche Juristin Claire, die nach Anerkennung suchende Journalistin Olive und Mathilde, die im Krieg alle geliebten Menschen und ihre Seele verloren hat? Ein alter und geheimnisvoller Kompass spielt dabei eine wichtige Rolle.
Mit Die Anatomie der Einsamkeit habe ich eine neue Autorin für mich entdeckt, die mich mit ihrer feinfühligen und fesselnden Erzählweise überrascht hat. Der Roman ist auf 3 verschiedenen Zeitebenen der Hauptcharaktere aufgebaut worden. Olives Erzählstrang findet im Jahr 2022 statt, als sie sich zusammen mit dem Fotografen Tom und mit Hilfe des Kompasses ihrer Großmutter Poppy auf die Spuren in deren Vergangenheit machen. Claire wird in ihrem Erzählpart im Jahr 2000 mit der Nachricht über den Tod ihrer Zwillingsschwester überrascht und sie macht sich auf den Weg ihren Nachlass zu sichten. Dabei stößt sie auf eine Zeichnung mit einem alten Kompass. Immer wieder unterbrochen werden diese beiden Erzählstränge durch sehr emotional geschriebene Gedichte aus den Jahren 1941 bis 1953, die von einer unbekannten Person verfasst wurden. Eine Ahnung kam schnell bei mir hoch, um wen es sich hier handeln könnte. Im Laufe der Geschehnisse kommt so viel Ungesagtes und Traumatisches ans Licht, sodass ich mit den Charakteren eine Achterbahnfahrt der Emotionen durchgemacht habe. Je weiter die Geschichte fortschreitet, desto intensiver werden die Gefühle und das Leseerlebnis.
Ich fand es faszinierend, wie raffiniert Louise Pelt das Thema Einsamkeit in so vielfältiger Form mit in ihre Geschichte integriert hat, die daraus resultierenden Empfindungen und Gedanken zum Ausdruck bringt und welche Reaktionen sich daraus ergeben können.
Nach all den bedrückenden und emotionalen Ereignissen in der Geschichte hat mich die Entwicklung der Geschichte zum Ende hin das Buch aber mit einem Lächeln schließen lassen.
Mein Fazit:
Louise Pelt hat eine fesselnde Familiengeschichte erschaffen, die für mich auch gleichzeitig eine Charakterstudie war. Von mir erhält der Roman 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung.