Mit fast 400 Seiten kommt das neu erschienene Buch zur weltweiten Geschichte der Unterseeboote von der ersten Entwicklung bis heute ungewöhnlich bereit angelegt und auf das wenig behandelte Feld Menschen und Uboote zugeschnitten daher. Es gibt alternativ eine Hartcover Version, eine Paperback und eine e-Book Version zu einem fairen Preis zu erwerben.
Das Buch zeugt von umfassenden, jahrelangen Quellenstudium und daraus resultierender großer Expertise. Es ist flüssig geschrieben, das Lesen macht Spaß. Ein ausgiebiges Endnotenverzeichnis belegt die mitunter verblüffenden und oft unbekannten Details mit ihren Quellen und lädt zur weiteren Vertiefung ein. Mit dem Untertitel "Mannschaften, Kommandanten, Konstrukteure, Befehlshaber und Waffenhändler" setzt sich der Autor einen breiten Rahmen, den er mit einer Vielzahl faszinierender Einzelthemen, die in dieser Fülle meines Wissens noch nie in einem Ubootfachbuch behandelt wurden, füllt.
Beginnend mit der "Turtle" von 1775 geht es über die facettenreiche Entwicklung der Uboote in den verschiedenen Staaten in den Ersten Weltkrieg. Hier konzentriert sich Schiffler auf die deutsche Ubootwaffe, behält dabei aber politische Zusammenhänge und die menschliche Komponente der Härten des Dienstes auf den Booten gut im Auge, ohne in eine Auflistung von Ubooterfolgen und Kommandantennamen zu verfallen. Die Bemühungen um Rüstungskontrolle in der Zwischenkriegszeit werden ebenso dargestellt wie die zum Teil bizarre technische Entwicklung der Ubootkreuzer und die Rolle von Ubooten im Spanischen Bürgerkrieg.
Auch im Zweiten Weltkrieg konzentriert sich der Autor auf die deutschen Uboote. Er widmet den Menschen an Bord sein Augenmerk, schildert Herkunft, Ausbildung und Dienstalltag. Neben den wesentlichen Eckpunkten des Ubootkrieges wird die Problematik des Umgangs mit Schiffbrüchigen und die Frage der Einstellung zum Nationalsozialismus tiefgehender erörtert. Dann wird der Einsatz der polnischen, italienischen, französischen, sowjetischen, amerikanischen und japanischen Uboote dargestellt. Trotz des breiten Ansatzes gelingt es eine Übersicht über die unterschiedlichen geo-strategischen, rüstungstechnischen und politischen Rahmenbedingungen und die Leistungen der Uboot-Waffen zu vermitteln und zugleich wesentliche Einzelereignisse wie das Versenken der "Wilhelm Gustloff" oder die in den USA überhaupt nicht hinterfragte Anwendung des uneingeschränkten Ubootkrieges im Pazifik darzustellen. Auch hier finden sich Einzelthemen und interessante Facetten, deren Inhalte faszinieren.
Bevor der Autor die Phase des Kalten Krieges beschreibt, schildert er den Nürnberger Kriegsverbrecherprozess und erläutert die Verurteilung von Dönitz, sowie den Umgang in der Bundesrepublik mit dessen Person. Es folgen Kapitel über die deutsche Wiederaufrüstung und den Ubootexport, über das Wettrennen der Amerikaner und der Sowjets beim Bau, bei der Bewaffnung und dem Einsatz der Atom-Uboote, über deren Unfälle und die damit durchgeführten Spionageoperationen. Aber auch der Falkland-Krieg mit der Versenkung der "General Belgrano" fällt in diesen Zeitraum. In seinem Fazit stellt Schiffler zu Recht fest, dass der Kalte "Uboot"-Krieg in der Fachliteratur bisher bis auf das Buch "The Blind Man`s Bluff" ein nur wenig bearbeiteter Zeitraum sei.
Das gilt auch für die Neunziger Jahre. Hier geht es um das Diktat der leeren Kassen, das Ende der Sowjetunion, um Ubootunfälle und ihre Lehren, sowie um die Uboote Nordkoreas.
Insgesamt fast 100 Seiten werden auf die Darstellung der Uboote heute und den Ausblick verwandt. Einzelthemen wie der Einsatz von SSBNs, wie die erweiterten Aufgaben moderner Uboote, wie mit dem Ubootbetrieb verbundenen Risiken, wie den Meeressäugern als Opfer der UJagd-Sonare, wie der Umgang mit Atomuboot-Wracks und auch der Entsorgung von Atomubooten finden sich hier neben dem unserer Leserschaft vertrauten Leben auf Ubooten, dem Einsatz von Frauen auf Ubooten, der Herstellung von Ubooten und deren Export. Teilbereiche des Bordlebens und der Auswirkungen auf die Familien der Ubootfahrer bis hin zur Sexualität werden in einem Buch zum ersten Mal behandelt, es gibt kaum einen Bereich aus dem Themenfeld Uboote, den der Autor nicht abdeckt. Das geht natürlich auf Kosten der Tiefe einzelner Themen, aber dem Umfang eines solchen Buches sind Grenzen gesetzt. Oft animiert der Text zum Nachschlagen in anderen Werken oder zur Suche im Internet.
Im Ausblick wird die Frage einer möglichen Abrüstung im Bereich Uboote bzw. deren atomarer Bewaffnung und der laufende Rüstungswettlauf bestehender und neuer Ubootnationen in Asien sowie die neu ins Kalkül zu ziehenden Kapazitäten unbemannter Uboote anhand der amerikanischen "Orca" und der russischen "Poseidon" erörtert.
Was sich geändert hat und was geblieben ist, stellt Schiffler in seinem abschließenden Fazit zusammen und streicht Veränderungen im Bereich des Lebens an Bord, Konstanten in der Aufgabe und Funktion der Kommandanten, den Wandel der Konstrukteure vom Geldnot leidenden Visionär hin zu High-Tech-Entwicklern, bei den Waffenhändlern und bei den Befehlshabern und Politikern heraus.
Das durchgängige Zusammenfassen der wesentlichen Fakten am Ende jeden Kapitels in einem bewertendem, kurzen Fazit gefällt genauso wie das Darstellen und Abwägen von Gegenpositionen und Relativieren der in den Quellen dargestellten Sachverhalte und die jeweilige knappe, aber ausreichende Einordnung in den historischen Kontext. Der Leser wird von der gut verständlichen, wortreichen und bildhaften Sprache gefesselt. Die Bebilderung ist angesichts des Umfangs sparsam, durchgehend schwarz-weiß und etwas dunkel. Während zivile Uboote, bis auf die Handelsuboote im Ersten Weltkrieg nicht erwähnt werden, ist insbesondere die Darstellung industrie-politischer Waffendeals der letzten Jahrzehnte hochinteressant und eröffnet trotz eigenem Verfolgens der Entwicklungen in der verdichteten Darstellung neue Einsichten.
Das Buch ist für den Laien ein grandioser Überblick und für den "Fachmann" eine breite Sammlung von Themen, die zum Vertiefen einladen. ¿¿