Besprechung vom 18.11.2021
Irgendwo werden sie sein
Irgendetwas stimmt nicht an diesem Bilderbuch. Da behauptet ein Erzähler, den man natürlich nicht mit dem Autor verwechseln darf und vermutlich auch nicht mit der Illustratorin, an Bord der "Polarfuchs" zur Neumayer-Station III in die Antarktis gefahren zu sein. Aber die Polarfuchs ist ein Forschungsboot mit einem Aktionsradius von sechzig Seemeilen und seit einem Vierteljahrhundert in küstennahen Regionen der Ostsee unterwegs. Durchs Packeis bahnt sie sich ganz bestimmt nicht ihren Weg. Die Station Neumayer III wiederum ist eine komplizierte Konstruktion auf hydraulisch verstellbaren Stelzen, wird hier jedoch als lustige Siedlung lauter bunter Häuschen im Eis dargestellt. Wenn es nun auf einer Doppelseite mit einem halben Dutzend Walen heißt, "all diese hier haben wir auf unserer Reise gesehen", kommen Zweifel auf. Und bei den Pinguinen wird kurzerhand die gesamte Familie vorgestellt, einerlei, wo in der Antarktis die jeweilige Art lebt. Da schert sich das Fahrtenbuch, das eine "Expedition zum Südpol" verspricht, auch wenn der Erzähler dort nie ankommt, endgültig nicht mehr um Plausibilität. Immerhin: Die Kleinen lernen, dass in der Antarktis keine Eisbären leben, und am Ende gibt man ihnen drohende Worte zur globalen Erwärmung mit auf den Weg. Aber bei aller künstlerischen Freiheit: Wenn man ein Sachbuch für Kinder schreibt, sollte man die jungen Leser auch ernst nehmen. Und ihnen keine Geschichten erzählen. F.L.
"Antarktis - Eine Expedition zum Südpol" von Mario Cuesta Hernando (Text) und Raquel Martín (Illustrationen). Prestel Verlag, München 2020. 42 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden
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