Die Pflegekräfte bilden die größte Beschäftigtengruppe im Gesundheitswesen. Ihnen fehlt aber eine schlagkräftige Lobby. Zahlreiche Bundesländer wollen dem durch Gründung einer Pflegekammer abhelfen. Inwieweit dieses Vorhaben angesichts der strukturellen Besonderheiten der Berufsgruppe verwaltungspolitisch sinnvoll sowie verfassungs-, unions- und völkerrechtlich zulässig ist, entzweit die Geister. Das Werk unterzieht die Verkammerung der Pflegeberufe einer umfassenden kritischen Analyse.
Die Pflegeberufe bilden das personelle Rückgrat des Gesundheitswesens. Ihre Bedeutung in einer arbeitsteiligen, vom demographischen Wandel gezeichneten Gesellschaft wächst. Ihre politische Schlagkraft verhält sich dazu diametral. Die Pflegeberufe gelten als das "Aschenputtel" unter den Gesundheitsberufen. Nur 10% der Pflegekräfte sind in Berufsverbänden organisiert. Ihre Verbandsvertreter treten als "Feierabend-Funktionäre" hochprofessionellen Kammerstrukturen anderer Heilberufe gegenüber. Nach dem Vorbild anderer Berufsvertretungen wollen zahlreiche Bundesländer die Selbstorganisation der Pflegeberufe durch Gründung einer Pflegekammer professionalisieren. Dadurch sollen die Pflegeberufe eine hörbare Stimme im Konzert der Akteure des Gesundheitswesens erhalten. Doch die Pläne sind auch unter den Pflegenden umstritten. Die Pflegeberufe zeichnen sich gegenüber anderen, verkammerten Berufsgruppen durch strukturelle Besonderheiten aus. Ob die Kammerstruktur die hochgesteckten Erwartungen der Pflegenden erfüllen und ihre finanziellen und bürokratischen Lasten rechtfertigen kann, harrt einer kritischen verwaltungswissenschaftlichen und rechtlichen Analyse. Martini legt die erste umfassende monographische Untersuchung zu der Thematik vor.
Inhaltsverzeichnis
A. Pflegekammern als politische Idee der Selbstorganisation eines Berufsstandes
Die Pflegeberufe: ein Berufsbild im Wandel Aktuelle politische Entwicklungen: gesetzgeberische Pläne zur Einrichtung einer Pflegekammer »Eine Stimme für die Pflege«. Rechtfertigende Zielsetzungen und Vorzüge einer Pflegekammer Pflegekammern als Instrument berufsständischer Selbstorganisation im europäischen und internationalen Vergleich
B. Verwaltungswissenschaftliche Kritik eines öffentlich-rechtlichen Pflegezwangsverbandes
Pflege tut gut. Eine Pflegekammer ebenso? : Zu den Präferenzen der zu verkammernden und verkammerten Berufsangehörigen Ansehensgewinn. Realistische Zielsetzung oder Beruhigungspille für die Mitglieder der Pflegeberufe? Rechtsökonomische Analyse Eingeschränkte Erreichbarkeit des Qualitätsziels bei nicht vorbehaltenen Tätigkeiten Strukturelle Gefahren einer personellen Verzahnung zwischen Gewerkschaften, Berufsverbänden der Pflege und Pflegekammern für die Unabhängigkeit der Interessenrepräsentation Rechtspolitische Regelungsalternativen Schlussfolgerungen
C. Verfassungsrechtliche Grenzen einer Pflegekammer
Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer Grundrechte Art. 179 der bayerischen Landesverfassung als landesspezifische Grenze
D. Unionsrechtliche Grenzen einer Pflegekammer
Unionsrechtliches Sekundärrecht Unionsrechtliches Primärrecht
E. Völkerrechtliche Gewährleistungen
Art. 11 EMRK Art. 22 IPBPR Art. 20 Nr. 2 AEMR
F. Zusammenfassung
Verwaltungspolitische Rationalität einer Pflegekammer Rechtliche Grenzen einer Pflegekammer
Literatur- und Sachverzeichnis