Besprechung vom 29.06.2025
Mensch und Tier
Wir nutzen sie und nutzen sie aus, entscheiden über ihr Leben und ihren Tod. Dabei begegnen uns Haustiere immer noch voll Zuneigung und Zutrauen: Maxi Obexers kämpferische Texte über eine sehr spezielle Beziehung.
Im Jahr 2024 erschien Maxi Obexers Roman "Unter Tieren", in dem die in Südtirol geborene Autorin in ganz neuem, einfühlsamem Ton vom Leid der Tiere, vor allem der Haustiere, erzählt. Seit Jahrtausenden wurden sie daran gewöhnt, mit den Menschen zusammenzuleben, und um dem Menschen dieses Zusammenleben so einfach und konfliktarm wie möglich zu machen, wurden sie durch Zucht - und in jüngerer Zeit auch zunehmend durch Manipulation ihres genetischen Materials - systematisch ihrer Abwehrinstinkte beraubt. Und auch ihrer Abwehrfähigkeiten.
Ausgeliefert sind die Haustiere uns Menschen von der Zeugung bis zum Tod. Wir nutzen sie und nutzen sie aus, entscheiden über ihr Leben wie ihren Tod, und dabei, so beschreibt es Obexer eindringlich, begegnen sie uns immer noch voll Zuneigung, mit einem Vorschuss an Vertrauen, das wir ständig missbrauchen.
Das Thema liegt Obexer am Herzen, weshalb sie dem Roman in diesem Jahr einen Band mit kurzen Erzählungen und Essays folgen ließ. Texten, in denen sie das wechselvolle Verhältnis von Mensch und (Haus-)Tier aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet, darum bemüht, zuerst eine Sprache zu finden, in der sich anders, angemessener über Tiere, von den Tieren, mit den Tieren sprechen ließe.
Obexer weigert sich, in ihnen bloße, dem Menschen nützliche Biomaschinen zu sehen. Und kämpft dafür, ihre Leserinnen und Leser ins Nachdenken und ein anderes Sehen und Empfinden zu führen. Denn wie wir den Tieren begegnen, fällt immer auf uns selbst zurück. Alle Gewalt, die wir ihnen antun, tun wir auch uns an - in keinem Text wird dies deutlicher als in dem über einen Hirnforscher, der über Jahre einen Makaken als Versuchstier missbraucht, bis seine Zweifel an der Legitimität seines Tuns so stark werden, dass er auf die andere Seite wechselt und die gewonnenen Forschungsergebnisse für den Kampf um die Rechte der Tiere verwendet. Wie Maxi Obexer ist er überzeugt, dass diese hoch entwickelten Säugetiere ein Selbst und ein Bewusstsein haben - nicht nur von sich selbst, sondern auch von uns. Die Tiere schauen uns an, immer. Wir sollten ihrem Blick nicht ausweichen. BETTINA HARTZ
Maxi Obexer, "Odysseus' Hund. Erzählungen von der gegenseitigen Zähmung". Weissbooks, 96 Seiten
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