Ich gestehe: Eigentlich kam ich über den Drink zum Buch. Ein Moscow Mule gehört für mich zu den besten Cocktails überhaupt frisch, scharf, ein bisschen wild. Genau so fühlt sich auch dieser Roman an. Und so wie der Drink zu meinem Lieblingsgetränk wurde, so hat Maya Rosas Debüt Moscow Mule direkt einen festen Platz in meinem Bücherregal gefunden.
Wir folgen Karina und Tonya, zwei Studentinnen im Moskau der frühen 2000er Jahre. Sie teilen nicht nur das Leben im Wohnheim, das ständige Geldproblem und den schwarzen Humor, der sie über Wasser hält sondern vor allem einen großen Traum: Europa. Ein neues Leben, raus aus den engen Strukturen, raus aus der Korruption, raus aus der bleiernen Schwere eines Systems, in dem Zukunft oft wie ein leeres Wort klingt.
Maya Rosa zeichnet dieses Setting mit einer Wucht, die mich sofort hineingezogen hat. Man riecht die abgestandene Luft der Wohnheime, spürt die Kälte der Moskauer Straßen, hört die lauten Widersprüche dieser Stadt: Luxusautos und Kaviar für wenige, Nudeln aus dem Wasserkocher für viele. Die Figuren sind keine Heldinnen aus Hochglanzprosa, sondern junge Frauen voller Sehnsucht, Fehler, Schlagfertigkeit und Zorn. Gerade Karina, mit ihrer unbändigen Energie, wirkt wie eine Naturgewalt, während Tonya eher leiser, nachdenklicher bleibt.
Was dieses Debüt so stark macht, ist der Tonfall: direkt, schnörkellos, gleichzeitig poetisch und mit einem Witz, der manchmal so unerwartet daherkommt, dass man laut lachen muss. Doch unter dieser Leichtigkeit lauern immer die Schwere und der Ernst der Lage: Korruption, Perspektivlosigkeit, politische Repression. Maya Rosa verknüpft das Persönliche mit dem Politischen, ohne belehrend zu wirken. Man liest von Freundschaft, Freiheit, Identität und begreift gleichzeitig viel über die gesellschaftliche Wirklichkeit Russlands dieser Zeit.
Besonders berührt hat mich, wie klar hier gezeigt wird, dass Träume nicht nur Flügel geben, sondern auch Mauern errichten können. Der Wunsch nach einem anderen Leben wird für Karina so stark, dass selbst die engste Freundschaft Risse bekommt. Diese Ambivalenz zwischen Nähe und Distanz, Hoffnung und Ernüchterung macht den Roman so wahrhaftig.
Moscow Mule ist ein Debüt, das in Erinnerung bleibt: sprachlich packend, inhaltlich relevant und emotional zutiefst bewegend. Wie der Drink, nach dem es benannt ist, vereint es Leichtigkeit und Schärfe, Süße und Bitterkeit. Für mich war es ein absolutes Highlight, und ich vergebe ohne Zögern fünf Sterne. Ich freue mich jetzt schon auf das, was Maya Rosa als Nächstes schreiben wird.