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Sobald wir angekommen sind

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Ben Oppenheim balanciert zwischen Ex-Frau, zwei Kindern und seiner Liebe zu Julia. Er hat Rückenschmerzen und Geldsorgen, aber was ihn wirklich ängstigt, ist der Krieg in Osteuropa. Getrieben vom jüdischen Fluchtinstinkt steigt er eines Morgens kurzerhand in ein Flugzeug nach Brasilien. Mitsamt Ex-Frau und Kindern, aber ohne Julia. Im Krisenmodus läuft Ben zur Hochform auf. Nur der Atomkrieg lässt auf sich warten. Ben dämmert, dass er sich ändern muss, wenn sich etwas ändern soll.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
24. Juli 2024
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
276
Autor/Autorin
Micha Lewinsky
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
310 g
Größe (L/B/H)
187/124/24 mm
ISBN
9783257073157

Portrait

Micha Lewinsky

Micha Lewinsky, geboren 1972 in Kassel, ist Drehbuchautor und Filmregisseur, u. a. von Der Freund (Schweizer Filmpreis), Die Standesbeamtin und Moskau einfach! . Für Kinder hat er das Buch Holly im Himmel geschrieben. Zurzeit arbeitet Micha Lewinsky an einem neuen Kinofilm.

Pressestimmen

»Ein wunderbares Debüt! « Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Nachrichten

»Micha Lewinsky gelingt es mit seinem tragikomischen Roman, die bedrängende Gegenwart mit Witz und atemholender Lockerheit zu verbinden. « Hansruedi Kugler / Aargauer Zeitung, Aargauer Zeitung

»Wer gerade den Herausforderungen des eigenen Lebens für ein paar Lektürestunden mit Genuss und Gewinn entkommen möchte, ist bei Micha Lewinsky bestens aufgehoben. « Annemarie Stoltenberg / NDR Kultur, NDR Kultur

Besprechung vom 07.01.2025

Auf der Flucht mit der Ex-Frau

Für ihn führt jeder Weg zur Atombombe: Micha Lewinskys Romandebüt "Sobald wir angekommen sind" lässt es krachen.

Nicht jeder Roman hat ein motiviertes Innenleben. Manche mäandern handlungsarm vor sich hin oder entwickeln die Handlung erst im Laufe des Mäanderns. Andere stellen gleich zu Beginn eine Frage, und diese wird dann im Verlauf weniger oder vieler Kapitel erörtert. Manchmal wird in einem Roman auch ein Rätsel gelöst, eine Antwort gefunden oder eine Identität geklärt. In dem krachenden Debüt des Schweizers Micha Lewinsky sind es zwei Sätze, die anzeigen: Hier wird nicht gewandelt, sondern gehandelt!

"Benjamin Oppenheim dachte, er sei bereit für die Flucht." Zwei Seiten weiter wird präzisiert: "Wohin gehen wir eigentlich mit den Kindern, falls es passiert?" Und schon der Titel "Sobald wir angekommen sind" verheißt spannende Ortswechsel in seelischen Extremlagen. Der jüdische Romanheld jedenfalls ist schon vor seiner Flucht ein Getriebener. Auf ihm lastet ein Generationentrauma. Jean Améry fand dafür den passenden Ausdruck vom "jüdischen Katastrophengeschick". Privat läuft es für Ben Oppenheim auch nicht besonders. Er und Marina wollen sich scheiden lassen, die Auftragslage lässt zu wünschen übrig, und Ben leidet unter Vertreibungsangst. Jetzt, wo wieder Krieg in Europa tobt, wird ihm die Sache im Reduit zu heiß. "Wenn man wie er in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts zur Welt gekommen und mit einem ängstlichen Grundtemperament ausgestattet war, führten alle Wege zur Atombombe."

Gemeint ist vermutlich der Krieg in der Ukraine, der sich im Roman in einen "Krieg in Osteuropa" weiterentwickelt hat und den Helden dieser Fluchtgeschichte, zusammen mit seiner Ex-Familie, ins brasilianische Exil treibt. Ausgerechnet von der sicheren Alpenscholle will der erfolglose Autor einer Stefan-Zweig-Fernsehserie die Zeichen der Zeit früh erkennen und einmal im Leben entschlossen handeln. Denn was wäre die Alternative? "Strahlenkranke Schweizer, die sich in wertlos gewordenen Prada-Mänteln an notdürftigen Feuerchen wärmten. Absperrbänder der Polizei, die vergessen im Wind flatterten. Und darüber das ständige Knistern und Knacken der Geigerzähler."

Stefan Zweig hatte Europa schon nach den ersten Schikanen 1934 verlassen und war dann 1940 über London nach Südamerika gereist, wo er sich schließlich zwei Jahre später mit seiner zweiten Frau Lotte das Leben nahm. Die Latte für eine politische Flucht im Windschatten des literarischen Idols liegt also hoch: "Während Zweig mit seiner Sekretärin hatte durchbrennen können, als die Welt in Flammen stand, schien Bens Angst vor dem Weltkrieg nur eine Marotte des jüdischen Neurotikers zu sein."

Eine Marotte allerdings, wir kennen das von Woody Allen, mit Unterhaltungswert. Gemeinsam beschließen die Scheidungsparteien nämlich, ihr Trennungsprojekt auf Eis zu legen und die Mischpoke in Sicherheit zu bringen. So eine Flucht ist nichts für Individualisten. Und wer weiß, vielleicht fällt ja noch ein bisschen Romantik dabei ab. Im Züricher Alltag war sie unter die Räder gekommen. Dass Ben schon längst eine neue Freundin hat - eine Künstlerin aus einer seit Generationen in der Schweiz ansässigen, nichtjüdischen, sich also keiner Gefahr bewussten Familie -, ist kein Grund, die Flucht mit der Ex anzuzweifeln.

Am Ende geht alles erstaunlich schnell. Flüge werden gebucht, Taschen gepackt, die Kinder aus der Schule geholt und zack: Schon ist man in Brasilien. Stefan Zweig hatte sich seinerzeit "fasziniert und gleichzeitig erschüttert" gezeigt bei seiner Ankunft in Rio. Er hatte von den Farben, Formen und Bewegungen geschwärmt. "Das erregte Auge wurde nicht müde zu schauen, und wohin es blickte, war es beglückt", schrieb er. "Ben schaute auch", heißt es im Roman, "sah aber wenig." Oder eben das Falsche: Autobahnen, die Wellblechdächer und in Tümpeln treibenden Müll.

Auch die Menschen entsprechen nicht den Erwartungen des frischgebackenen Exilanten: "Ben hatte sich die Südamerikaner immer dunkler vorgestellt. Gut gelaunt. Und im Grunde tanzend." Noch eine andere Sache trennt das Zweig-Groupie von seinem Vorbild: Stefan Zweig war ein literarischer Weltstar, und Brasilien empfing ihn mit offenen Armen. Seine Bücher waren da in Deutschland schon vor Jahren verbrannt worden. "Bens Bücher", lesen wir bei Micha Lewinsky, "wurden nur eingestampft."

Alle Episoden dieses aberwitzigen Roadtrips von Zürich nach Recife - von einem Ayahuasca-Experiment zusammen mit Hippies auf der Suche nach dem "Egotod" bis hin zu einer Stellvertreterschlägerei mit einem deutschen Hünen, der Ben den Hotelsessel streitig macht - sind eingetaucht in jüdische Argumentationskunst und jüdische Selbstvergackeierung. Dabei werden sämtliche antisemitischen Klischees über Juden, vor allem über männliche Juden, burlesk übertrieben, aber auch noch einmal identitätsstiftend ernst genommen. Vom geilen Juden über den wehleidigen Juden bis hin zum feigen Juden. Als Ben der Prügelei mit dem verdutzten Deutschen nur mit knapper Not entgeht ("Mein Großvater war in Theresienstadt"), ruft sein Sohn: "Er hat dich beinahe getötet." Und der Dialog setzt sich folgerichtig fort: "'Aber er hat es nicht getan', sagte Ben. 'Und wisst ihr, warum?' 'Mitleid', schlug Rosa vor. 'Vielleicht hat er sich geschämt, einem Schwächeren wehzutun', erwog Moritz. 'Nein', sagte Ben. Das war eine Lektion fürs Leben: 'Er hat aufgehört, weil ich mich gewehrt habe.'"

Am Ende läuft es für den zwischen Selbst- und Fremdbildern festsitzenden Drehbuchautor ohne Drehbuch fürs eigene Leben auf Selbstermächtigung hinaus. Behauptet er zumindest. Denn dieses Buch wirkt vor den aktuellen politischen Realitäten zwischen Gaza und Pokrowsk zwar nicht mehr ganz so aus der Luft gegriffen wie eine Großstadtneurotikerkomödie aus Amerika, ist aber dann doch vor allem ein Buch über einen Kunst schaffenden Mann in der Krise. Und das ist bekanntlich ein Thema von ebenso universeller wie unerschöpflicher Komik. KATHARINA TEUTSCH

Micha Lewinsky: "Sobald wir angekommen sind". Roman.

Diogenes Verlag, Zürich 2024. 277 S., geb.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

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LovelyBooks-BewertungVon Gruenente am 30.12.2024
Amüsant, leicht verschwurbelt, sehr unterhaltsam und aktuell
Von Sommerlese am 22.12.2024

Nerviger Protagonist in Midlife-Krise

Im Diogenes Verlag erscheint der Roman "Sobald wir angekommen sind" von Micha Lewinsky. Ben Oppenheim ist fast fünfzig, hat Geldsorgen und Rücken und in einer Midlife-Krise gefangen. Nach seinem Debüt als Autor versucht er vergeblich an den Erfolg anzuknüpfen, doch das klappt einfach nicht. Er schiebt es auf seine aktuelle Lebenssituation, seine Ehe mit Marina ist zerbrochen, mit ihr hat er zwei Kinder und lebt in einer Beziehung mit einer Künstlerin. Die Kriegsvorgänge in Osteuropa machen ihm so sehr Angst, dass er mit Frau und Kindern vor seinen privaten und den weltlichen Sorgen nach Brasilien flieht. Aus der Schweiz nach Brasilien, so wie Stefan Zweig. Was Zweig konnte, kann einem Ben Oppenheim auch nur gelingen. Doch so einfach er sich das vorstellt, ist es nicht. "Das Leitmotiv des Judentums aber, die Angst, verfolgt und vertrieben zu werden, musste man schon mit der Muttermilch aufsaugen." Zitat Seite 144 Ben Oppenheim ist Jude, nicht sehr gläubig und ein absolut egoistischer Typ mit wirren Gedanken, erfolglos, unentschlossen, unsensibel und bekommt seine Ehe nicht gerettet, aber auch die Beziehung zu seiner neuen Freundin klappt nicht so recht. Außerdem glaubt er daran, zu einem Volk zu gehören, dem die Flucht seit Urzeiten in die Wiege gelegt wurde. Und so lassen ihn düstere Nachrichten sofort an einen drohenden Atomkrieg denken und er flieht Hals über Kopf nach Brasilien. In dieser Handlung wird tragisch deutlich, welches Schicksal viele jüdische Menschen durch Flucht und den Verlust von Heimat durchmachen. Doch was Ben einfach unausstehlich macht, ist seine Ansicht, einfach der tollste Mann zu sein und ständig seine Meinung zu ändern. Das fand ich recht nervig, nur seine ironischen Ansichten und die Erlebnisse von Bens Frauen (mit oder ohne ihn) ließen mich weiter lesen. Micha Lewinsky zeigt auf ironische Weise Bens zwiegespaltene Sichtweise auf sein Leben, seine Frauen und die Angst vor dem Weltgeschehen. Es mischen sich ernste Themen mit seichten, dazu kommen Bens sexuelle Gedanken, die zeigen, wie egoistisch er tickt. Kein Sympath, kein Mann, den man gerne kennenlernen möchte und ein echter Anti-Held! Bei dieser Lektüre hat mir der angenehm zu lesende Schreibstil und der eingebaute Humor gefallen. Und obwohl ich Ben überhaupt nicht mochte, hat mich Lewinsky mit seiner Geschichte gefesselt. Eine Geschichte über einen Anti-Helden, die von Flucht, Furcht und innerer Zerrissenheit erzählt!
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