Eine Höllenfahrt voller Paradoxa, Dark-Academia-Anklängen und sehr speziellen Bildern: In "Katabasis" schickt Rebecca F. Kuang ihre Figuren Alice Law und Peter Murdoch in die Unterwelt, um die Seele ihres Professors zu retten. Kuang, vielfach preisgekrönte Autorin, hat mit "Babel" (gaaanz große Liebe <3) einen internationalen Bestseller gelandet und auch mit "Yellowface" (auch sehr empfehlenswert!) für kontroverse Diskussionen gesorgt. Sie gilt als eine der spannendsten Stimmen im Bereich gesellschaftskritischer Fantasy. Mit "Katabasis" wagt sie sich an eine Mischung aus Höllenmythos, akademischer Kritik und phantastischem Abenteuer.
Worum gehts genau?
Alice Law ist ehrgeizige Doktorandin in Cambridge. Ihr Ziel: die Beste in analytischer Magie zu werden an der Seite ihres berüchtigten Professors Jacob Grimes. Als dieser bei einem Unfall stirbt, beschließt Alice, ihm in die Hölle zu folgen. Dort trifft sie auf ihren Erzrivalen Peter Murdoch, der dasselbe Ziel verfolgt. Gemeinsam steigen sie ab begleitet von Zitaten und Anspielungen auf Orpheus, Dante oder T.S. Eliot. Doch die Unterwelt erweist sich als grotesker Ort voller Rätsel, Logikspiele, Absurditäten und grausamer Prüfungen. Während Alice und Peter tiefer hinabsteigen, verschwimmen die Grenzen zwischen Rivalität, Zuneigung und Wahnsinn.
Meine Meinung
Ich habe mich glaub selten so auf ein Buch gefreut, wie auf Katabasis. Nicht zuletzt, weil ich Babel absolut geliebt habe und Yellowface auch sehr stark fand. Doch leider war mir sehr schnell klar: Der Roman will sehr viel, wirkt dadurch überladen und hat mich nicht überzeugt. Schon der Einstieg ist sehr abrupt, ich musste sehr aufmerksam lesen, um überhaupt mitzukommen. Die Figuren sind mir trotz allem blass geblieben und dieses "Enemies to lovers" Ding mochte ich nicht. Die Liebesgeschichte wirkte auf mich leider platt und konstruiert.
Dazu kommt, dass Kuang sehr viele philosophische und mathematische Konzepte einbaut Penrose-Treppen, Paradoxa, Logikspiele. Für Leser:innen mit einem Faible für solche Gedankenspiele mag das spannend sein, für mich war es schlicht ermüdend, weil es mir da einfach an (Vor-)Wissen fehlt und auch nichts erklärt wird. Zitate wie Magie verspottet die Physik und bringt sie zum Weinen. (S. 24, E-Book) zeigen zwar Kuangs bildhafte Sprache, doch oft überreizt sie diese bis ins Groteske. Besonders drastisch empfand ich Szenen wie den makaberen Auftritt des Zerberus: Eingeweide spritzten durch die Luft. Zerberus Kiefer mahlten, und blutige Stückchen sprenkelten über den Sand. (S. 387, E-Book). Auch Alices Begegnung mit einem Katzenkadaver, bei dem sie sich buchstäblich ins Blut stürzt (S. 416417, E-Book), fand ich einfach nur weird.
Stärken hat das Buch, wenn Kuang ihre gesellschaftskritische Schärfe zeigt etwa in der Darstellung des Machtmissbrauchs im universitären System. Besonders die Schilderung einer Professor:innenpaares in Yale (S. 446, E-Book), in der die Frau immer im Schatten des Mannes bleibt oder die Szene, in der Alice nicht länger ein Verstand, ein wissbegieriges Wesen, sondern nur noch die simple Identität einer Frau ist (S. 291, E-Book) fand ich sehr eindrücklich und haben mich wütend gemacht. Leider gingen solche starken Momente aber oft unter in der Flut an Skurrilitäten.
Hinzu kamen kleinere Ärgernisse wie Rechtschreibfehler. Das Ende wiederum empfand ich als vorhersehbar und eher wie eine schwülstige Romance formuliert: Peter Murdoch war ein Buch, dessen Ende noch nicht geschrieben war, und für den Rest ihres Lebens wollte sie mit dem Finger jede einzelne Seite nachfahren. (S. 488, E-Book). Poetisch, ja aber nach all den grotesken Höllenbildern für mich nicht stimmig.
Fazit
Katabasis ist ambitioniert, komplex und mutig doch für mich hat es sich überhoben. Figuren blieben blass, die Handlung wirkte überladen, die grotesken Beschreibungen haben mich eher abgestoßen als gefesselt. Wer Lust auf mathematisch-philosophische Exkurse und eine sehr bildhafte, oft extreme Sprache hat, könnte hier fündig werden. Für mich persönlich war es jedoch eine enttäuschende Lektüre, die ich außerhalb einer Leserunde wohl abgebrochen hätte. Danke an @lesejury und den @eichbornverlag für das Rezensionsexemplar.