Das Buch greift einen ernsten, erschütternden und viel zu wenig beachteten Aspekt der DDR-Diktatur auf.
Die Protagonistin Annerose ist widerborstig, schroff und ungesellig. Sie lebt alleine, arbeitet nur wenige Stunden in einer Drogerie und ihre Katze ist ihr weggelaufen. Doch ihre junge neue Chefin Celine schafft es, sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Ungewollt kommt dadurch ein sorgfältig verdrängtes Trauma hoch, während eine ungewöhnliche Freundschaft wächst.Das Buch greift einen ernsten, erschütternden und viel zu wenig beachteten Aspekt der DDR-Diktatur auf: Die Zwangsadoption von Kindern, deren Eltern als systemkritisch galten oder einfach nicht ins sozialistische Ideal passten. Mit der politischen Wende wurde verpasst, die erzwungene Adoption als Menschenrechtsverletzung anzuerkennen. In der Folge haben es Eltern noch heute schwer, Informationen zu ihren Kindern zu bekommen.Als Leserin habe ich mich Hauptperson Annerose nur langsam nähern können. Sie ist schweigsam und stößt ihre Mitmenschen von sich, um ihre Ruhe zu haben. Nach und nach lernte ich sie besser kennen und verstehen. Denn in ihr brodelt es - und die hartnäckige Celine, die bald Anneroses Freundin wird, bringt dieses Brodeln an die Oberfläche.In manchen Situationen wollte ich Annerose am liebsten rütteln, wenn sie mit aller Kraft die wegstößt, die es gut mit ihr meinen. Aber bei ihrer Vergangenheit ist es auch konsequent und verständlich, dass sie sich so selbst im Weg steht und die Veränderung langsam vonstatten geht. Die Erzählweise ist knapp, ohne ausschweifende Beschreibung, was ebenfalls gut zum Charakter der Hauptperson passt. Nebenher spürt man das Flair des Schauplatzes Erfurt. Ich fand es schön, Anneroses Entwicklung und das Wachsen ihrer Freundschaft zu Celine mitzuverfolgen.Am Ende des Buchs angekommen, hatte ich Lust, Annerose noch länger zu begleiten. Ihr Leben hat sich in wenigen Monaten extrem verändert und man spürt, dass sie noch eine Zukunft vor sich hat.