Gabriele Hoffmann, Harry & Pooh 2007/2008
"Es handelt sich in diesem Buch um eine einfühlsame Bearbeitung des Kunstmärchens von Theodor Storm. Wenn Tiere verschmachten, Johanni naht, von Urahnen die Rede ist oder Zubern, das Dunkel in den Abgrund der Erde führt, bis uns eine erstickende Hitze entgegenschlägt, ein mächtiger Felsen den Weg versperrt, ein fast versiegter Strom zu durchschreiten ist, und es am Ende überall zu sprießen beginnt, dann freut sich der gebildete Vorleser über die sprachlichen Bilder, die den alten Märchen noch immer große Wirkkraft verleihen. Der Feuermann hat die Regentrude in einen zu langen Schlaf versetzt. Aus dem muss sie dringend erweckt werden, soll nicht das ganze Land verdorren. Das kann natürlich nur einer reinen Jungfrau gelingen, die mit ihrer unverbrüchlichen Liebe den bösen Zauber brechen kann. Maren, die Tochter des Wiesenbauern, der ganz neoliberal auf Rationalität statt auf Biorhythmen setzt, liebt den armen Andrees, der als Ehemann für die reiche Erbin eigentlich nicht in Frage kommen kann. Doch angesichts der bedrohlichen Trockenheit verspricht der strenge Vater, Maren freizugeben, sollte sie es schaffen, die Regentrude tatsächlich zu wecken und innerhalb vierundzwanzig Stunden Regen verschaffen. Im Märchen gelingt es natürlich den Liebenden zusammen, die Wette einzulösen und damit nicht nur das eigene Glück, sondern auch die verdurstende Natur zu retten. Soweit der wunderbare Text, der in jedem Sommer wieder eine bedrohlich erschreckende Aktualität gewinnt. Aber dieses Buch ist trotzdem und vor allem ein Bilderbuch, und das ist traumhaft schön gestaltet. Die Hitze des Jahrhundertsommers spürt man schon auf dem ersten Bild, auf dem sich die Blätter der Bäume viel zu früh herbstlich eingefärbt haben. Zwar sind noch einige Tiere zu sehen, doch sie bewegen sich ganz müde zwischen den ausgedörrten Halmen ziellos hin und her. Andrees und Maren müssen auf ihrer Suche nach fruchtbarem Wasser in eine dunkelviolette Tiefe steigen. Mit einem kaum sichtbaren Rahmen verdeutlicht die Künstlerin, dass es sich hier um einen Traum handelt, doch es ist notwendig, träumend ins eigene Ich zu steigen, denn die Rettung muss von innen kommen. Das kann so deutlich nur ein Bild ""sagen"", in das die Betrachter mit eintauchen dürfen, um den Bann zu lösen. Wer das bewältigt, findet schließlich den Zugang zur neu ergrünenden, lebendigen Welt. Aus dem Wasserblau steigt dann allmählich wieder das Grün sumpfiger Blätter hervor, hin zu helleren, gelben und roten Blüten und dem glänzenden, aber nicht mehr heiß gleißenden Licht, sondern der Sonne, die Leben spendet. Mit unendlicher Liebe zum Detail bricht nun aus der Tiefe des blauen Himmels die Üppigkeit der endlich wieder als lebendiger Organismus ernst genommenen Natur. Kinder, die diese Bilder mit in ihr Leben nehmen, werden immer wissen, dass jeder Käfer, jeder Schmetterling, jeder Vogel es wert ist, gerettet zu werden."