Thomas Nicolais Roman "Maulberg" entführt die Leser in ein fiktives sächsisches Dorf, in dem die Erinnerungen an die Deutsche Demokratische Republik (DDR) auf einen modernen Alltag treffen. Die äußere Gestaltung des hochwertigen Hardcovers, die an ein altes Ortseingangsschild erinnert, zusammen mit dem provokanten Aufkleber "I like DDR", weckt sofort das Interesse und deutet auf die satirischen Töne des Buches hin.
Im Zentrum der Handlung stehen Beate und Peter Sendler, ein Ehepaar aus Dortmund, das in das scheinbar idyllische Dorf Maulberg zieht. Hier, im Jahr 2016, erleben sie die Sehnsucht der Dorfbewohner nach der guten alten Zeit, was den Dokumentarfilmer Peter Sendler auf die Idee bringt, das Dorf für vier Wochen in die DDR zurückzuversetzen. Diese satirische Herangehensweise überspitzt sehr schnell die Gefahren der (N)ostalgie.
Die Charakterisierung der Dorfbewohner und der Ort selbst erweist sich als gelungene satirische Kommentierung. Hier wird das Klischee des ostdeutschen Landlebens wohl dosiert durch den Kakao gezogen, und jeder Charakter bringt seine eigenen, oft grotesken Sehnsüchte und Ängste mit. Auf mich wirkte der Schreibstil an manchen Stellen etwas gestelzt und die Dialoge künstlich.
Der Verlauf des Experiments, das unausweichlich aus dem Ruder läuft, ist vorhersehbar, was jedoch nicht unbedingt negativ ist viel mehr trägt es zur satirischen Konstruktion des Buches bei. Die Spannung, die der Autor im Verlauf aufbaut, bleibt bis zuletzt erhalten, was die Leser dazu zwingt, weiterzulesen und zu sehen, wie sich die absurde Situation entwickeln wird. Dennoch kommt am Ende des Buches eine gewisse Enttäuschung auf. Die Auflösung und der Epilog erschienen mir als unzureichend. Vielleicht sehen andere Leser das Ende anders und können mehr mit Nicolais Schlussfolgerungen anfangen.
Insgesamt ist "Maulberg" ein gewitzter Versuch, die Verklärung der Vergangenheit zu hinterfragen und die Euphorie für nostalgische Ideale kritisch zu beleuchten. Während der Roman einige Schwächen in der Ausführung hat, überzeugt er trotz allem mit seinen interessanten Charakteren und einer spannenden Satire über die Absurditäten der Sehnsucht nach verlorenen Zeiten. Dieses Buch regt an, darüber nachzudenken, was wir wirklich von unserer Vergangenheit wollen.