Kann der Bruch geltenden Rechts ethisch legitimiert werden? Mit Sicherheit. Problematisch ist jedoch die Übersetzung der Argumentation in rechtlich handhabbare Kategorien. Tobias Schieder untersucht die damit einhergehenden verfassungsrechtlichen Fragen und zeigt, wie sich die Rechtsdebatte um die hierfür herangezogenen Rechtsfiguren - Widerstandsrecht, Gewissensfreiheit und ziviler Ungehorsam - in der Bundesrepublik zwischen 1949 und 1989 entwickelte.
Wie ethisch motivierter Rechtsungehorsam verfassungsrechtlich angemessen zu erfassen und zu verarbeiten sei, wurde in der Bundesrepublik kontrovers diskutiert. Ein Blick auf den Verlauf der Debatten über die hierfür verwendeten Rechtsfiguren zeigt, wie stark die frühen Debatten noch unter dem Einfluss naturrechtlicher Vorstellungen standen und wie sich dies mit der Zeit wandelte. Bei der Betrachtung der Debattenkontexte stellt Tobias Schieder die gängigen dogmatischen Konstruktionen auf den Prüfstand und untersucht, inwiefern sie ihre Überzeugungskraft aufgrund konkreter historischer Gegebenheiten gewannen. Er prüft, inwieweit sie sich in der Rechtspraxis bewähren konnten, und kann anhand der Debatten zeigen, wie die alte Frage nach der Gerechtigkeitsorientierung des Rechts unter den Bedingungen eines modernen, gewaltenteilig organisierten und demokratischen Staatswesens rechtlich verarbeitet wurde.