Die Autorin Ursula Cerha beschäftigt sich seit Jahren mit der 200-jährigen Geschichte der russischen Familie Kign, der Familie ihrer Mutter. Sie hat für dieses Buch in den Archiven von St. Petersburg und Minsk recherchiert und kann mit "Es ist uns alles nur geliehen" ein spannendes Ergebnis präsentieren.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil (1812 - 1893) erzählt die Anfänge auf dem Familiensitz Dedlovo und dem wirtschaftlichen Fortschritt. Es fällt auf, dass auch die Bediensteten und die Dorfgemeinschaft die Gutsherren Elisabeta und Ludwig wertschätzen, die sich nicht zu schade sind, um für den Dienst der guten Sache auch ungewöhnliche Aufgaben zu übernehmen. Während Ludwig den ökonomischen Status des Gutes im Blick hat, ist Elisabeta für die sozialen Belange zuständig, achtet auf Bildung und Gesundheitsversorgung. Zwischendurch erfährt man immer wieder über die politischen Begebenheiten im fernen Moskau, wobei diese die Gutsfamilie zwar mit Interesse aufnehmen, sich aber nicht so sehr davon berühren lassen.
Der zweite Teil (1894 - 1913) beschäftigt sich mit den nächsten Generationen der Kigns, mit der Veränderung der Gesellschaft und der Erkenntnis wie nahe Freud und Leid beieinanderliegen. Ebenfalls werden Einblicke in das Leben der letzten Zarenfamilie gewährt. Die Bewohner von Gut Dedlovo sorgen sich auch um den kranken Zarewitsch, während man aber in der eigenen Familie ebenfalls von einigen tragischen Ereignissen nicht verschont bleibt.
Im dritten Teil (1913 - 1943) erfährt man von der Zeit während des Ersten Weltkrieges, von dem Aufstreben der Bolschewiken, von der Angst der Adeligen, die nun plötzlich zu aller Feind wurden. Aber auch von den Nachkriegsjahren, über die Trennung der Kinder von ihren Eltern, vom unglücklichen Wiedersehen in Österreich. Immer wieder verwoben mit den politischen Veränderungen.
Die Autorin beschreibt hier ein Leben, in dem alles eben nur geliehen ist - erst der Aufschwung, der Wohlstand, aber auch der Verlust von materiellen und immateriellen Dingen, die das Leben so plötzlich verändern können.
Gut gefallen hat mir, dass die Familie und ihre Bediensteten irgendwie an einem Strang gezogen haben. Allen war die Bewirtschaftung und das Wohl des Gutes wichtig, genau davon konnten alle gut leben. Und hier sticht die Familie Kign ein wenig hervor - es scheint für alle zu passen und die adelige Familie die Untertanen und Bediensteten nicht ausgebeutet zu haben.
Ergänzend findet sich im Buch auch ein Stammbaum, den man immer wieder zu Hilfe ziehen kann, wenn die Namen durcheinander kommen. Und auch einige Fotos sind enthalten, sowie eine Karte vom zaristischen Russland.
Der etwas andere Blick auf Russland hat mir gut gefallen und ich habe die Geschichte rund um die Familie Kign sehr gerne gelesen. Daher gibt es von mir auch 5 Sterne.