Die Schwestern Lisa und Mara könnten kaum unterschiedlicher sein: Lisa, eine Ärztin, Mutter sowie Ehefrau, ist pflichtbewusst und führt ein durchorganisiertes Leben. Mara ist eine unkonventionelle, glückliche Single-Frau mit häufig wechselnden Liebhabern und Gelegenheitsjobs. Doch als Lisa vermisst wird und die Polizei nicht so ermittelt, wie es alle, die Lisa kennen, für nötig halten, tun sich Mara, Lisas Mann sowie Freunde zusammen, um selbst nach Spuren zu suchen. Dann überschlagen sich die Ereignisse ... Die Handlung ist rätselhaft und durch verschiedene Perspektiven (Maras & die der leitenden Ermittlerin) erhält man interessante Einblicke - in Bezug auf den Vermisstenfall und das Persönliche der beiden außergewöhnlichen Frauen. Meiner Meinung nach sind beide großartig gezeichnet, aber Mara hat mir besonders gut gefallen: ich finde sie tough, herrlich unorthodox, ein bisschen moralisch grau, jedoch nicht unethisch sowie selbstkritisch, fair und wenn es darauf ankommt, sehr verantwortungsbewusst. Der Schreibstil ist flüssig, geschliffen, voller greifbarer Eindrücke und scharfsinnig, die Ermittlungen sind facettenreich bzw. vielschichtig sowie spannend, nicht zuletzt, weil hier fast nichts ist, wie es scheint ... Die Darstellung einer "liebeskranken¿ Figur (vulnerabler Narzissmus?) finde ich überaus gelungen! Fast so gelungen wie die unbeeindruckte, konsequente Reaktion auf das volatile Verhalten (von liebevoll, zu vorwurfsvoll, zu beleidigend, zu gewalttätig). Zudem ist ein weiteres wichtiges, leider meist tabuisiertes, Problem geschickt in die Handlung eingeflochten. Manchmal habe ich mir den Handlungsverlauf bzw. die Schilderungen ein kleines bisschen geraffter gewünscht, insgesamt würde ich "Die Schwester¿ jedoch als packenden Thriller bezeichnen, der clever, wendungsreich und realistisch gestaltet ist - mit wohldosierten Emotionen und Drama!