Nach dem Sturm die Stille

Gleichermaßen schön und schmerzhaft; sensibel und tiefgründig; sprachlich besonders.

Kolja fühlt sich erdrückt von seinem Leben, von den Erwartungen seiner Eltern, von dem Weg, der ihm quasi schon in der Wiege vorgegeben wurde. Er hat aber ein Problem damit hat, Nein zu sagen. Und so verbringt er jeden einzelnen Tag in der Bäckerei seiner Familie. Schuftet ununterbrochen, ohne Freizeit und zerbricht Tag für Tag ein kleines Stückchen mehr. Ich habe tatsächlich schon nach ein paar Seiten ziemliche viele negativen Gefühle für Koljas Eltern empfunden. Allein daran kann man erkennen, was für ein talentierter Autor Matti ist, wenn er es innerhalb eines Kapitels schafft, solche Emotionen bei dem Leser/der Leserin hervorzurufen. Und ich habe mir bei jedem weiteren Kapitel immer mehr Sorgen um Kolja gemacht. Auch Ruben kämpft jeden einzelnen Tag gegen seine Dämonen. Gegen die Angst und Wut. Er würde so gerne aus seinen Routinen ausbrechen können. Aus seinem kleinen Radius, der sich manchmal wie ein Gefängnis anfühlt und doch irgendwie Sicherheit bringt. Mein Herz ist immer wieder für Ruben und Kolja gebrochen.  Vom ersten Moment an gab es eine Anziehungskraft zwischen Kolja und Ruben. Die beiden haben sich still und heimlich in die Gedanken des jeweils anderen eingenistet und sind dort geblieben. Es war wunderschön, zu beobachten, wie sich die beiden leise angenähert haben. Wie sie sich zusammen eine Insel der Ruhe geschaffen und sich gegenseitig Halt gegeben haben.  "Die Stille legte sich auf Koljas Brust und in seinen Kopf, mitten in die Leere. Er konnte wieder atmen. Einfach so. Weil Rubens Stille Koljas Sturm zum Schweigen brachte [...]"  Zum Schluss war ich einfach nur wahnsinnig stolz auf Ruben und Kolja, die beide großartige Charakterentwicklungen durchgemacht haben.  Matti malt Bilder mit seinen Worten. Ich liebe den einzigartigen Schreibstil, der sich mit jedem Buch immer weiter entwickelt. "Mattiesk" halt. Mattis Bücher sind immer etwas Besonderes. Dieses hier ist keine Ausnahme. Jeder einzelne Satz, jedes einzelne Wort ist mit Bedacht gewählt und hat Bedeutung. Man merkt Koljas Erschöpfung in jeder Silbe. Kann Rubens Kampf mit sich selbst bei jedem Satz nachempfinden. Selbst ich war nach Koljas Kapiteln erschöpft, weil man förmlich fühlen konnte, wie die Energie ihn immer mehr verlassen hat.  "Nach dem Sturm die Stille" ist ähnlich wie die anderen Bücher des Autors eine leise Geschichte ohne viel unnötiges oder künstliches Drama. Wir begleiten Ruben und Kolja auf ihrem Weg und erfahren währenddessen eine Menge über ihr Inneres und ihre Gefühle. Das Buch bekommt eine ganz große Empfehlung von mir.