Wer mit seiner Meinung in die Öffentlichkeit geht, muss mit heftigem Gegenwind rechnen. Das gilt umso mehr, wenn man eine Frau ist und es sich um ein kontroverses Thema handelt. Es gibt wenige Themen, die so sehr die Gemüter erregen können wie "Regretting Motherhood". Das zeigte sich schon Mitte der 2010er Jahre, als die israelische Soziologin Orna Donath ihre Studien dazu und das gleichnamige Buch veröffentlicht hat. Der Mythos der aufopfernden, selbstlosen Mutter, die alles für ihre Kinder gibt und selbst nichts braucht, ist ein starker. So stark, dass viele tatsächliche Mütter aus Fleisch und Blut enorm darunter leiden, und auch aufgrund dieses Ideals nicht wenige Menschen bewusst kinderfrei bleiben, um sich nicht an einem Bild aufzureiben, dem sie fürchten, niemals entsprechen zu können.
In diesem Buch teilt nun die Autorin offen, verletzlich und selbstreflektiert ihre eigenen Herausforderungen als Mutter zweier Kinder: ein heute etwa 10-jähriges Mädchen und ein Bub im Kindergartenalter. Sie erzählt von ihrem Leben als junge Frau, ihrer Partnerschaft und wie der Weg in die Mutterschaft für sie damals Ende 20 etwas unhinterfragt Selbstverständliches war, der logische nächste Schritt, so wie für viele Frauen. Wie sie von dem weit verbreiteten idealisierten Bild der glücklichen Schwangeren und des unendlichen Mamaglücks in der Babyphase beeinflusst war und ihr nicht bewusst war, wie viele Opfer diese Lebensumstellung mit sich bringen würde... so weit, dass sie in eine tiefe psychische Krise stürzen würde und Angst hätte, sich selbst zu verlieren. Wohl verstärkt wurde der Druck dadurch, dass in ihrer Umgebung - so wie bei vielen bildungsaffinen und hochqualifizierten Frauen heutzutage - bindungsorientierte Erziehung als der Goldstandard gehyped wurde, in einer Art, die an völlige Selbstaufgabe grenzt: keine Sekunde mehr ohne das Baby am eigenen Leib, alle kindlichen Bedürfnisse sofort erraten müssen, alles perfekt bio und nachhaltig machen usw.
Was diese Dinge angeht, hat die Autorin mittlerweile zu einer wesentlich pragmatischeren Einstellung gefunden und diese Extremform der bindungsorientierten Erziehung für sich als Irrweg erkannt. Auch diese Entwicklung scheint sie, wie sie im Buch schreibt, offen auf Instagram geteilt zu haben, genauso wie den Weg zu der Erkenntnis, dass sie auch mit mittlerweile zwei Kindern und viel Hinterfragen und Therapie sich oft von der Mutterrolle überfordert und ausgebrannt fühlt und lieber Papa oder Tante wäre - ohne die übermenschlichen Erwartungen, die gesellschaftlich an Mütter gestellt werden. Ebenso wie die israelische Soziologin Orna Donath und die meisten der von ihr in ihrer Studie interviewten Mütter und Großmütter stellt sie klar, dass es nicht darum geht, ihre Kinder zu bereuen oder zu wünschen, sie mit ihren Persönlichkeiten wären nicht auf der Welt, sondern dass es die Mutterrolle ist, von der sie sich so überlastet fühlt.
Dafür erntet die Autorin regelmäßig sehr negatives Feedback, wie sich auch in einigen anderen Rezensionen zeigt, aber genauso auch in vielen Zuschriften und Kommentaren, die die Autorin bekommt. Auf einige davon geht sie im Buch ein und nimmt Stellung dazu, selbstreflektiert und mutig.
Sehr sympathisch finde ich, wie ehrlich sie ihren Weg und ihre Herausforderungen teilt, aber auch über die Lösungsansätze spricht, die sie für sich und ihre Familie mittlerweile gefunden hat. Da sind viele hilfreiche Ideen dabei, die für alle Mütter - auch wenn sie nicht die Mutterschaft an sich bereuen, aber durchaus manchmal überlastet und überfordert sind - sehr hilfreich sein können.
Ich selbst bereue meine Mutterschaft keinesfalls, habe aber auch noch viel, was mich abseits der Mutterrolle ausmacht, und habe mich in vielem, was die Autorin beschreibt, wiedergefunden. Ich mag den pragmatischen Ansatz, den sie offenbar mittlerweile in der Erziehung lebt und wie sie, gemeinsam mit ihrem Mann, nach einer fairen Aufteilung sucht, externe Unterstützung organisiert, sich von unrealistischen Idealen verabschiedet hat und dabei offen zugibt, dass es trotz allem oft genug herausfordernd.
Mir vermittelt das Buch den Eindruck, dass diese Frau ihre Kinder über alles liebt und auch genau deshalb sich so dafür einsetzt, psychisch so gesund wie möglich zu bleiben, in gesunder Weise auf sich zu achten und damit auch noch länger als Wiebke und als Mutter auf dieser Welt für sich und andere konstruktiv etwas beitragen zu können.