¿`Was auch immer Sie über Ihre Familie erfahren werden, Mrs. Stevens, urteilen Sie nicht zu schnell. Manchmal wirken die Dinge anders, als sie es tatsächlich sind.¿ (...) Alice sah John an und fühlte sich, als ob gerade ein kleines Licht in einem sehr dunklen Raum angezündet worden wäre." (Wiedersehen am Potsdamer Platz, S. 85)Der dritte Band der Galeristinnen-Saga bildet einen gelungenen Abschluss der Trilogie! Dabei haben mir beim Lesen gleich mehrere Dinge gefallen. Zunächst einmal ist da die kluge Konstruktion des Buches. Wie ein Krimi aufgebaut, thematisiert der historische Roman Alice und Johns Rückkehr nach Deutschland und ihre Suche nach der Wahrheit. Um diese geht es gleich auf mehreren Ebenen: gesellschaftlich, kunstgeschichtlich, familiär und ganz persönlich für die Protagonistin selbst. Es ist also nur konsequent, dass Alice sich nach allen Gefahren und Kämpfen in den drei Roman-Bänden befreit und endlich ihren eigenen Weg, ihre eigene Wahrheit im letzten Teil der Geschichte findet. Man kann ihren Frieden und ihr leichtes Herz am Ende deutlich fühlen!Als großer Historien-Fan freute ich mich außerdem über das ausgewählte Thema des Buches. Denn John und Alice schreiben gemeinsam eine Reportage über die Arbeit der "Monuments Men" - die amerikanische Sondereinheit mit der Aufgabe, von den Nazis geraubte Kunstwerke aufzuspüren und an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Ein spannendes Gebiet, über das ich durch das Buch noch mehr erfahren habe. Erneut beeindrucken die fundierten Recherchen und die geschichtlichen Details! Ein toller Zusatz ist wiederum das informative Glossar am Ende des Buches.Schließlich habe ich mich über das Wiedersehen mit Alice selbst sehr gefreut. Musste ich mich zu Beginn der Trilogie noch an ihre ungestüme Art gewöhnen, ist sie mir über Band 2 ans Herz gewachsen. Als ich mit Band 3 begann, war sie für mich wie eine alte Freundin. Deshalb war ich zu Beginn des Romans auch erschrocken, dass ihre Londoner Galerie, in die sie so große Hoffnungen gesetzt hatte, bombardiert worden war. Noch dazu hatte sie Leonie wieder weggeben müssen, was ich traurig fand, weil mir das Verhältnis der beiden in Band 2 sehr gefallen hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes steht Alice also vor den Trümmern ihrer Vergangenheit, als sie das zerstörte Galeriegebäude aufsucht, und doch macht sie, als starke Frauenfigur, das Beste daraus. Am Ende hat sie sich gerade durch die Rückschläge entwickelt und findet sich erfolgreich selbst. Damit hat die Autorin der Figur nicht nur einen Vorbildcharakter, sondern auch ein sinnstiftendes Element zur Identifikation des Lesers verliehen.Gleichzeitig ist auch das Verhältnis zwischen Alice und John schön beschrieben und zieht einen durch die emotionale Schilderung ihrer alltäglichen Herausforderungen und ihres tiefen Verständnisses füreinander in die Geschichte. Auch wirkt der dritte Band insgesamt tiefergehend in den Gefühlen und in den Fragen, die die Geschichte aufwirft. Ebenfalls wirkt das Buch erzählerisch gereift. Rückblicke sind mit Feingefühl und Timing platziert, szenische und historische Details gekonnt herausgearbeitet. Dadurch konnte ich mir das Deutschland der Nachkriegszeit sehr lebendig vorstellen und mit Alice mitfühlen, die in London nicht zuhause ist, aber auch in Berlin keine Heimat mehr findet. Die von beiden Seiten mit Vorurteilen konfrontiert ist und irgendwo dazwischen ihre Familie finden will, aber sich auch bei ihr nicht mehr geborgen fühlt. Dieses moderne Entfremdungsgefühl als gesellschaftliches Phänomen seit dem 2. Weltkrieg wird sehr gut vermittelt. Auch die Fragen nach Schuld und Verantwortung sind nachvollziehbar aufbereitet. Gekonnt wendet sich der Roman von plakativen Werturteilen ab und beleuchtet reflektiert die erschütternden Grauzonen menschlichen Verhaltens. Dabei balanciert er die unterhaltenden Elemente mit Impulsen zum Nachdenken mühelos aus. Unbedingt kaufen, unbedingt lesen!