Wer "Frischer Wind am Wolfgangsee" liest, der denkt wirklich automatisch an das "Weiße Rößl" und den Kitschfilm mit Peter Alexander von 1960. Carolin Schairers Roman spielt in der heutigen Zeit und nicht einmal im "Weißen Rößl". Ich habe mich von daher ziemlich schwer getan, die Titelwahl nachzuvollziehen; es erschien mir wie ein billiger Werbegag von Seiten der Autorin bzw. des Verlags (wer auch immer die Titel macht).In "Frischer Wind am Wolfgangsee" wird nicht gesungen. Dazu wäre Gastwirtstochter Vanessa wohl auch kaum in Stimmung. Die 26-jährige plagen ganz andere Probleme: sie denkt, dass sie lesbisch ist, hat Angst, sich zu outen, träumt von einer festen Freundin.... An ihrem 27. Geburtstag outet sie sich immerhin bei ihren engsten Freundinnen, und die wollen ihr gleich ein Date organisieren. Doch Vanessa findet keinen Zugang zur Szene, nicht einmal online über ein Partnerschaftsportal. Die einzige Frau, die sie interessiert, ist scheinbar unerreichbar: Louise, eine Unternehmensberaterin aus Wien. Trotz vielerlei Hindernissen kommt es zu einem Treffen; mehr noch, die beiden verlieben sich tatsächlich. Doch damit fangen Vanessas Probleme erst richtig an: eine Fernbeziehung zu managen und die Sache vor ihren wohlmeinenden Eltern zu verbergen, wird mehr und mehr zur Herausforderung.Es geht um ein Coming-Out, aber nicht um Selbstzweifel, was das eigene Empfinden betrifft. Zum Glück, denn mit so etwas kann ich wenig anfangen. Die rigide Haltung der Eltern in Bezug auf Homosexualität mag einigen übertrieben und unzeitgemäß erscheinen, leider erlebe ich sie auch heute noch in einigen Fällen in meinem persönlichen Umfeld. Ich kann dazu noch ergänzen: es gibt sogar Schlimmeres als Vanessas Eltern, und das leider im 21. Jahrhundert. Insgesamt handelt es sich bei dem Roman um eine nette Liebesgeschichte, die interessante Themen streift: Coming Out, Burn Out, Ehrgeiz, gescheiterte Erwartungen von Eltern an ihre Kinder. Die Charaktere waren wie immer sehr überzeugend.Ja, das Buch hätte etwas länger sein können. Das Ende kam mir zu abrupt. Überhaupt finde ich, die Stärke der Autorin liegt in längeren Romanen - siehe "Ellen", ihr zweites Buch, mit knapp 500 Seiten.