Besprechung vom 17.01.2019
Die feine englische Art
Wie viele Gründe gibt es wohl, England zu lieben? Christophe Fricker, der seit vielen Jahren auf der Insel lebt, kennt hundertelf. Sie sind weit gestreut, von den zivilen Umgangsformen und dem Sprachwitz, dem Flughafen Heathrow, Gilbert und Sullivan, dem National Trust, Tee (aha), Heckenwegen, Turner, Gainsborough, Emily Brontë und Lord Byron über den Humor (Überraschung), Krimis, öffentliches Wegerecht, Chormusik, die Illuminierung von Blackpool, den Lake District, Prinz Harry (Liebe?) und Fossilien an der Kanalküste bis zu Border Collies, Fawlty Towers, die BBC und den Hefeaufstrich Marmite (Hass!). Über jedes Thema weiß der Autor, der in Oxford promoviert hat, kundig zu schreiben. Er hat gründlich recherchiert. Seine Lektüreliste im Anhang macht Lust, noch weiter vorzudringen. Nicht immer bekommt ein Tatbestand oder gar ein Makel (Heimwerken, Rosenkriege, Hooligans, Überwachungskameras, Brexit) jedoch die Sympathiekurve zur Liebeserklärung, und braune Bohnen zum Frühstück findet der Autor zum Speien. Dabei erweisen sich Format und Stil, die sich der Verlag mit diesem und weiteren Bänden der Reihe verordnet hat, als Problem: hundertelf Gründe zu lieben - jedes Kapitel beginnt mit einem "Weil" - versetzen den Leser in die Lage einer infantilen Person, der man auf dieser "gemeinsamen Reise" aber nun wirklich alles erklären muss, und zwar in dauerbelustigtem Ton und leicht fasslicher Form. ("Können Sie mir noch folgen?", "Halten Sie sich fest", "Ach, wissen Sie was ..." Zum Thema Schimpfwörter - "Soll ich? Nein Sie waren gute Leserinnen und Leser".) Dieses Vorgehen entspricht nicht ganz der feinen englischen Art.
letz
"111 Grüne, England zu lieben" von Christophe Fricker, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2018, 244 Seiten, einige Bilder. Broschiert
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