Luisa L'Audace wächst in ihrem kleinen Heimatdorf als einziges behindertes Kind auf. Lange Zeit verstand sie nicht, warum sie ausgegrenzt wurde und viele Dinge nicht machen konnte, die für Gleichaltrige selbstverständlich waren. "Als ich noch klein war, dauerte es eine ganze Weile, bis ich verstand, dass ich mich durch gewisse Dinge von den Kindern in meinem Umfeld abhob. Und noch viel länger dauerte es, bis ich verstand, dass ich wieder Einfluss auf diese Umstände hatte noch, dass sie meinen Wert als Menschen ausmachten." Als Kind verbrachte sie viel Zeit in Krankenhäusern, bei Spezialist*innen und der Therapie. Als sie mit 14 Jahren einen Rollstuhl bekommt, fühlt sie sich zum ersten Mal im Leben freier. Aber mit ihrer neu gewonnenen Mobilität nehmen leider auch die Anfeindungen zu. Es dauert lange, bis sie die Ursache dafür klar benennen kann: Ableismus, also die strukturelle Diskriminierung behinderter und chronisch kranker Menschen. "Eine dadurch resultierende Grundsatzdiskussion, die ich regelmäßig mit nicht-behinderten Menschen führe, ist beispielsweise, warum ich mich entschieden gegen die Behauptung wäre, behinderte Menschen hätten 'besondere Bedürfnisse'. In Wahrheit unterscheiden sich unsere Bedürfnisse nämlich nicht im Geringsten von den Bedürfnissen nicht-behinderter Menschen. Lediglich die Voraussetzungen, die für uns erfüllt sein müssen, um diesen Bedürfnissen nachzukommen, sind unterschiedlich." Das Buch ist sehr eindringlich, persönlich und verständlich geschrieben. Es ist sehr gut als Einstieg in dieses Thema geeignet; aber auch wenn man sich schon damit befasst hat, ist es meiner Meinung nach ein sehr wertvolles Buch.Luisa L'Audace zeigt auf, warum Ableismus uns alle angeht und wie wir ihn aktiv "verlernen" können, um eine inkulsivere Gesellschaft möglich zu machen. "Niemand fragt: Warum kann dieses Individuum nicht an unserer Gesellschaft teilhaben? Was hindert es daran? Was braucht es dafür? Was können wir tun um seine Teilhabe zu ermöglichen?" Das Buch hat mich beim Lesen oft aufgewühlt, betroffen und wütend gemacht. Die Autorin stellt viele gute Fragen und bietet jede Menge Stoff zum Nachdenken. "Behindert und stolz" ist ein Buch, das für alle nicht-behinderten Menschen Pflichtlektüre werden sollte. Denn wir alle müssen mithelfen, Barrieren zu überwinden und eine Teilhabe für alle möglich zu machen. "Die bloße Existenz behinderter Menschen in der heutigen Zeit ist nichts anderes als Widerstand in einem Land, dass uns vor gerade mal achtzig Jahren tot sehen wollte und alles daransetzte, uns auszulöschen. Doch wir sind immer noch hier - und wir bleiben hier." Eine ganz klare Leseempfehlung von mir!