
Besprechung vom 25.06.2020
Zum Lobe der Kernenergie
Martin Maleschka ist Jahrgang 1982, Architekt und lebt im brandenburgischen Cottbus. Seit mehr als fünfzehn Jahren beschäftigt er sich mit baubezogener Kunst in der DDR. Er sichtet das, was noch da ist, dokumentiert es und kämpft für die Erhaltung. Der Verlag "Dom publishers", der sich besonders mit der Baugeschichte im früheren Ostblock beschäftigt und sogar einen Architekturführer für Pjöngjang veröffentlicht hat, ist die richtige geistige Heimat, um Maleschkas Recherchen in einem dicken und schweren Band zu präsentieren. Hunderte Wandbilder, Stelen, gestaltete Fenster und Hausfassaden, Plastiken, Denkmäler stellt er vor. In der DDR war Kunst am Bau ein fester Bestandteil bei der Baukostenplanung, man kam gar nicht drum herum. Die Ergebnisse sind so vielfältig wie das Leben, sowohl in den Materialien und Techniken als auch in Qualität und Bedeutung. Es gibt noch heute Überwältigendes wie die Fassadengestaltung des früheren Centrum-Warenhauses in Magdeburg, Otto Kaysers Glasgestaltung "Physik" in Erfurt, Sighard Gilles Deckenmalerei im Neuen Gewandhaus in Leipzig. Es gibt nackte Propaganda, etwa am Dresdener Kulturpalast oder Walter Womackas Glasgestaltung "Aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" im ehemaligen Staatsratsgebäude in Berlin. Es gibt völlig Irres wie den riesigen Karl-Marx-Kopf in Chemnitz. Der Umgang mit diesem Erbe ist sehr unterschiedlich. Manches rottet vor sich hin. In Löbichau hingegen ist vor einigen Jahren ein riesiges Wandbild wiedererstanden: "Die friedliche Nutzung der Kernenergie" von Werner Petzold. Jedes dieser Werke erzählt eine eigene Geschichte. Im Leipziger Gewandhaus war ein Fries von Wolfgang Peuker so gut wie fertig, als Gilles Mentor Bernhard Heisig es doch schaffte, seinem Schützling den Riesenauftrag zu verschaffen. So teilt sich beim Blättern und Lesen die Faszination Maleschkas mit, der selbst inmitten von solcher Kunst aufgewachsen ist - in Eisenhüttenstadt, der "ersten sozialistischen Stadt". Maleschka bekennt: "Ideologie ist für mich irrelevant." Da freilich beginnt das Fragwürdige des Unternehmens. All diese Bauten haben mit Ideologie zu tun, sie sind nicht nur Kunst. Und sie waren nur denkbar in einer Diktatur, die sich ohne Pardon die Kunst untertan zu machen suchte.
F.P.
"Baubezogene Kunst DDR. Kunst im öffentlichen Raum 1950 bis 1990" von Martin Maleschka. Verlag Dom publishers, Berlin 2019. 504 Seiten, zahlreiche Fotos. Broschiert
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