Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Geschichte - Weltgeschichte - Frühgeschichte, Antike, Note: 1, Freie Universität Berlin (Institut für Judaistik), Veranstaltung: Qumran - Die Textrollen vom Toten Meer, Sprache: Deutsch, Abstract: Fundamentalismus ist ein Begriff der Moderne, doch das Phänomen, das er beschreibt, ist
ein altes: Das Gefühl von Dekadenz und Verfall einer Umweltkultur, ausgelöst durch
umfassende gesellschaftliche, soziale, politische und ökonomische Veränderungen, führt
seit Jahrtausenden in den konservativen Schichten einer Gesellschaft zu einer Auseinandersetzung
mit und einer Kritik an dieser sich radikal verändernden Umwelt. Die
Invasion einer fremden Kultur 1 bedeutet für große Teile der Bevölkerung ein Gefühl der
Bedrohung und der Verunsicherung: Die bestehende soziale Ordnung wird durch das
Spannungsverhältnis zwischen traditionellen Ansichten und der vermeintlichen
Vorteilhaftigkeit oder gar der Notwendigkeit zur Anpassung in Frage gestellt und gerät ins
Wanken. Zwei Optionen stehen zur Wahl: Erstens die Anpassung an das neue geistige
Klima, unter partieller oder völliger Aufgabe der eigene n Tradition; Oder zweitens die
Rückkehr zu den Wurzeln des bedrohten sozialen Gefüges, welche oft in der Religion zu
finden sind. Tendenziell sind es vornehmlich die ökonomischen und politischen Eliten, die
sich für die erste der beiden Möglichkeiten entscheiden und den für sie vorteilhafteren Weg
der Assimilation wählen, wohingegen die breite Masse zunächst eher dazu neigt, in ihren
Traditionen zu verharren. So entstehen im Verlaufe tiefgreifender sozio -kultureller
Umwälzungen zwei gesellschaftliche Extreme: Die vollständige Assimilation in den neuen
kulturellen Mainstream auf der einen Seite und die konsequente Ablehnung jeder
Veränderung bis hin zur reaktionären Verteidigung der Tradition auf der anderen Seite.
Zwischen diesen beiden Extremen besteht naturgemäß ein Spannungsverhältnis, welches
sich zu einem offenen, im Extremfall auch gewaltsamen Konflikt ausweiten kann. Dies ist
insbesondere dann der Fall, wenn die traditionalistisch gesinnten Schichten einer
Gesellschaft nach und nach ihrer politischen und ökonomischen Partizipationsfähigkeiten
beraubt werden und sie ihren angestammten Platz innerhalb einer Gesellschaft verlieren.
Eine zunehmende Radikalisierung dieser marginalisierten Schichten ist die Folge, die
Bildung extremistischer, teils militanter Gruppierungen ein Ausdruck dafür.
Eine besondere Brisanz erhält dieser Prozeß, wenn die von den Veränderungen betroffene
Umweltkultur von einem festen Koordinatensystem einer Religion bestimmt wird. [...]
1 Meyer 1991:68.