In diesem Essay geht es um einen Ausweg aus heutigen Krisen. Einige
der zentralen Konzepte unserer Zeit wie die von Freiheit, Ethik,
Erkenntnis und Identität werden zunehmend missverstanden. Westlichen
Menschen geht es heute vorwiegend um ihre individuelle
Freiheit, sie beziehen sich auf die eigene Identität oder die eigenen
Gefühle. Selbstbestimmung wird damit nicht als etwas Moralisches,
sondern als rein individuelle Herausforderung verstanden, die in der
Emanzipation von äußeren Zwängen besteht. Das Vertrackte an dieser
Auffassung liegt darin, dass sie Moral durch Freiheit ersetzt. So wird
aus Selbstbestimmung Selbstherrlichkeit. Gemeinwohl und Kooperationen
sind erschwert, wenn es dem Individuum nur um sich selbst
geht. Das führt dazu, dass es bei vielen Auseinandersetzungen nur um
Macht geht. Dem Konstruktivismus heutiger Zeit erscheint alles, als
wäre es vom Menschen modelliert. Wenn aber alles nur durch die Brille
der eigenen Deutungen hindurch erscheint, schotten sich Menschen
von der Fülle der Wirklichkeit ab. Verschwindet die Bedeutung von
Wahrheit und einer um ihrer selbst zu respektierenden Welt, werden
Verschwörungsmythen begünstigt, und Diktatoren können ihre Praktiken
mit dem Hinweis auf ein postfaktisches Zeitalter rechtfertigen.
Menschen haben insgesamt vergessen, den Eigensinn der Wirklichkeit
wahrzunehmen und zu respektieren. Sie müssen wieder lernen, sich
von anderem ansprechen zu lassen.