Besprechung vom 09.07.2020
Von den Feen hinter dem Fels
Ein Findling, von mächtigen Bäumen bewacht. Das dunkle Grau des Basalts ist kaum noch zu sehen. Moose und Flechten haben den Stein in das Tableau einer imaginären Landschaft verwandelt: eine weite Fläche mit Tälern und Kratern, Seen und mäandernden Flüssen, mit Sümpfen und Wiesen, dazwischen ein paar rostrote Flecken, wie die Augäpfel eines Monsters. Und quer über den Fels zwei ineinandergreifende Kreise, lange vor unserer Zeit in den Stein gemeißelt. Was ihn zu einer heidnischen Opferstätte machte, so die Vermutung: ein magischer Ort jedenfalls, dieser Kultplatz bei Loiwein. Der Nordwesten Niederösterreichs ist ein mystischer Landstrich. Davon berichten Nina Stögmüller und Robert Versic in ihrem Buch. Die beiden sind kräftig ausgeschritten, um heilige Berge, Wallfahrtskirchen und segenbringende Quellen und Bäche aufzuspüren und die Geschichten hinter den Wackel- und Schalensteinen und bizarren Felsen zu erkunden. Robert Versic bleibt am Boden der Tatsachen: Er hat die mehr oder weniger rätselhaften Fundstellen zu fünfundzwanzig Touren zusammengeschlossen und sie mit Karten und Angaben zur Strecke versehen. Seine Fotos illustrieren jene Fülle von Sagen und Legenden, die Nina Stögmüller, selbsternannte Märchenfee und lebendige Erzählerin, beisteuert. Ein kraftvoller und inspirierender Band, der die Phantasie auf die Reise schickt, ohne sie in die Irre laufen zu lassen.
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"Märchenhafte Kraftplätze - Wandern im Waldviertel" von Nina Stögmüller und Robert Versic. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2020. 264 Seiten, zahlreiche Fotos. Broschiert
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