Ich lese sehr gerne historische Romane ¿ gerne auch Serien. Bei dem Roman DAS GEHEIMNIS DER KRÄHENTOCHTER handelt es sich um den ersten Band einer Serie. Meine Favoriten sind zwar meist Mittelalter-Romane, wobei ich auch gerne Romane aus anderen Zeitepochen lese. Bei diesem Roman spielt sich die Handlung im Dreißigjährigen Krieg (1618 ¿ 1648) ab.
Das Cover:
Auf einem dunkelgrünen, sehr düster wirkenden Hintergrund sind einige Krähen abgebildet. Im Vordergrund sieht man eine blonde junge Frau, die an einem Brunnen (?) steht und ängstlich nach hinten blickt. In der Hand hält sie eine Metallkanne, ich vermute, dass diese aus Kupfer ist. Das Motiv mit den Krähen und das Bildnis des Mädchens wirken wie zwei eigenständige Motive ¿ schon alleine durch die unterschiedlichen Darstellungsformen (Gemälde und, wie ich vermute, einem Kupferstich).
Der Autor:
Oliver Becker, 1969 im Schwarzwald geboren, ist ein Autor, der außer historischen Romanen auch schon einen Krimi mit dem Titel SCHMETTERLINGSTOD geschrieben hat. DAS GEHEIMNIS DER KRÄHENTOCHTER war sein erster historischer Roman.
Die Handlung:
1638 ¿ In einem abgeschiedenen Tal des Schwarzwaldes muss die junge Magd Bernina miterleben, wie die Bauernfamilie, die ihr auf dem Petersthal-Hof ein Zuhause gab, von fremden Reitern ermordet wird und das Haus in Brand gesetzt wird. Unter den Opfern ist auch ihre Freundin Hildegard, die Tochter des Bauern Wolfram Vogt, die Bernina stets wie eine Schwester war.
Bernina überlebt den Überfall als einzige und macht die Bekanntschaft der ¿Krähenfrau¿, die sich selbst Cornix nennt, und die in der ganzen Gegend als Hexe verschrien ist. Die geheimnisvolle Frau kümmert sich um die verstörte Bernina und gibt ihr ein neues Zuhause. Bald schon entwickelt sich eine enge Beziehung zwischen den beiden Frauen, denn Cornix behandelt Bernina wie eine eigene Tochter. In den Trümmern des Petersthal-Hofes macht Bernina eine Entdeckung, die sie nicht versteht ¿ was hat es mit dem geheimnisvollen Zimmer auf sich, das sie nie zuvor betreten hatte?
Doch eines Tages taucht eine Gaukler-Gruppe auf. Bernina ist fasziniert von den fremd wirkenden Leuten und ihrem freien Leben, das sie führen. Vor allem in dem jungen Anselmo findet sie guten Freund und als die Gaukler weiterziehen, schließt Bernina sich ihnen an ¿ ohne Abschied flüchtet sie heimlich aus der Hütte ihrer Ziehmutter.
Bernina und Anselmo beschließen zu heiraten, doch die alte Seherin Rosa, die ihnen den Ehesegen geben soll, lehnt Bernina ab, denn sie ist sich sicher, dass Bernina Unglück über sie alle bringen wird. Und dann trennt das Schicksal die beiden Liebenden und Bernina macht auf der Suche nach Anselmo die Bekanntschaft des Oberst Jakob von Falkenberg, der sie gleichermaßen fasziniert, aber auch abschreckt. Und immer wieder begegnet sie dem ¿schwarzen Reiter¿, jenen Mann, den sie an dem Tag sah, als ihr das Zuhause genommen wurde. Wer ist dieser geheimnisvolle, furchteinflößende Mann? Welches Geheimnis hat die ¿Krähenfrau¿? Und wird Bernina Anselmo wiederfinden oder sich einem fremden Mann zuwenden?
Meine Meinung:
Das Buch fesselt von der ersten Seite an. Gleich zu Beginn des Buches wird eine spannende Atmosphäre erzeugt, die den Leser fesselt. Und die Ereignisse überschlagen sich gleich am Anfang ¿ was hat es mit den vielen Büchern auf sich, die Bernina in dem verwüsteten Bauernhaus entdeckt, was hat es mit der Fahne mit der Blume und dem Schwert auf sich, was mit der Zeichnung eines kleinen Mädchens? Der Bauernhof birgt jede Menge Geheimnisse.
Bernina selbst wirkt ebenfalls geheimnisvoll. Woher kommt sie, was hat es mit dem blonden Mädchen auf sich, dem sie immer wieder begegnet ¿ handelt es sich um ein Wesen aus Fleisch und Blut, oder doch eher um ein Trugbild? Bernina ist eine Person, die in meinen Augen sehr liebenswert erscheint, sehr warmherzig und trotz Schicksalsschlägen macht sie einen starken Eindruck. Selbst als Gehilfin des Feldarztes Melchert Poppel gibt sie ein gutes Bild ab ¿ sie schreckt vor keinerlei Behandlungen der Kriegsverletzten zurück, sondern ist dem Arzt eine große Hilfe.
Und dann ist da Cornix, die ¿Krähenfrau¿ - eine Außenseiterin, die man fürchtet, nicht zuletzt wegen ihrer Freunde, den Krähen, die sich in ihrer Nähe befinden. Und so lebt die heilkundige Frau auch abgeschieden in einer einfachen Hütte ¿ fern ihren Mitmenschen.
Anselmo machte auf mich einen charmanten Eindruck. Er wirkt freundlich und man versteht, dass Bernina von dem südländisch wirkenden Mann und seinem Lebensstil so fasziniert ist. Sie, die nie ihre nähere Umgebung verlassen hat ¿ er, der stets unterwegs ist, um die Leute zu unterhalten. Verständlich, dass Bernina sich magisch von Anselmo angezogen fühlt. Anselmo wirkte auf mich sympathisch, wobei ich anfangs befürchtete, dass er es mit Bernina nicht ernst meint.
Doch da ist noch der Gegenpart in Person des Oberst Jakob von Falkenberg. Er wirkt freundlich und höflich auf Bernina, andererseits ist er aber der brutale Kriegsherr. Als Leser kann man ihn kaum einschätzen ¿ mag man ihn, oder hasst, bzw. verachtet man ihn?! Und so geht es, ohne dass ich an dieser Stelle zuviel verraten möchte, übrigens auch Bernina. Dass Jakob von Falkenberg so seine Geheimnisse hat, wird schnell klar. Aber er ist und bleibt undurchschaubar. Und dennoch fühlt sich Bernina auf eine seltsame Art und Weise mit Jakob verbunden, ja er erscheint ihr in gewisser Art und Weise vertraut.
Einer meiner ¿Lieblinge¿ ist aber eindeutig Melchert Poppel, der Feldarzt. Er wirkt väterlich und freundlich, hat immer ein gutes Wort für Bernina übrig und respektiert die junge Frau, die ihm mit ihrem Wissen kompetent zur Seite steht, was ja zu diesen Zeiten leider nicht selbstverständlich war.
Bewundernswert fand ich die Gräfin Helene, in der Bernina im fernen Franken eine echte Freundin fand, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stand. Dabei passten die Frauen auf den ersten Blick so gar nicht zusammen ¿ eine Gräfin, um die vierzig, die übergewichtig ist und ein einfaches Mädchen aus dem Volke, um die zwanzig, schlank und attraktiv.
Der ¿schwarze Reiter¿ blieb lange Zeit ein Phantom. Und schnell stellt man fest, das er eiskalt ist ¿ ein wahrer Teufel in Menschengestalt, der kein Mitleid kennt und dessen Weg mit Leichen gepflastert ist.
Vermisst habe ich eine Karte am Buchanfang, denn diese verschafft einen Überblick über die Lage der einzelnen Handlungsorte, des weiteren hilft sie, die Entfernungen einzuschätzen. Ich selbst blättere in Romanen immer gerne mal zur Karte zurück, auch bei Stadtplänen. Und selbst fiktive Orte, wie sie in diesem Buch mitunter vorkommen hätte man eintragen können.
Hilfreich finde ich ebenfalls ein Personenverzeichnis, bei dem die Personen, die wirklich gelebt haben, markiert sind (gerne mit Geburts- und Sterbejahr) hier z.B. Wallenstein (der allerdings nur indirekt mitwirkt). Von der Anzahl der Protagonisten her, muss ich nun jetzt nach dem Lesen sagen, behält man leicht den Überblick. Gewünscht hätte ich mir eventuell ein Nachwort über zwei oder drei Seiten zur damaligen Situation, den Personen, die im Buch erwähnt werden, z.B. die Kriegsherren (wer diente als Vorbild,...).
Am Buchende befindet sich bei historischen Romanen oft ein mehr oder weniger umfangreiches Glossar, (ich suche mir dieses meist schon vor Lesebeginn heraus) doch auch hier leider Fehlanzeige. Und in Hinblick auf das fehlende Glossar musste ich feststellen, dass es in diesem Buch vollkommen fehl am Platze gewesen wäre. Die Handlung ist wirklich sehr eingängig und auch leicht verständlich.
Bedenken hatte ich etwas wegen des Handlungszeitraumes. Der Krieg ist schon um die 20 Jahre in Gange und ich hatte damit gerechnet, dass ausschweifend über Kampfhandlungen geschrieben werden würde, sowie über politische Beziehungen und sonstige Themen. Mitunter trübt dies bei mir die Lesefreude, denn mitunter mutiert so mancher historische Roman fast schon zu einem Geschichtsbuch. Doch hier hat der Autor, zu meiner Freude, auf ausschweifende ¿Kriegsberichte¿ und Kampfhandlungen verzichtet. Dass der Krieg schon so lange andauert merkt man in so mancher Szene ¿ man hat resigniert, sich beinahe an den Krieg gewöhnt, sich damit arrangiert, oder arrangieren müssen. Man versteckt sich bei Angriffen und führt danach sein Leben einfach weiter ¿ der Krieg ist Alltag geworden.
Das Cover finde ich sehr passend zu diesem Buch. Zwar entspricht die junge Frau auf dem Bild nicht unbedingt dem heutigen Schönheitsideal, doch das Cover passt hervorragend zu den Gemälden der damaligen Zeit. Die Krähen wirken wie ein alter Kupferstich. Das Krähenmotiv findet man übrigens auch auf der Innenseite der Buchdeckel wieder, sowie zu Beginn und am Ende des Buches.
Wiedersehen würde ich in den Fortsetzungen gerne den adligen Wirbelwind Helene und Balthasar. Wer letzterer ist, das verrate ich hier nicht ¿ lasst Euch überraschen. Und zum Autor ¿ sein historischer Roman und sein Krimi haben einiges gemeinsam: in beiden Büchern wird gemordet, in beiden Büchern ist man auf der Suche nach dem Mörder ¿ eigentlich bin ich fast versucht zu behaupten, dass dies ein historischer Krimi ist ¿ aber das würde dann vielleicht doch zu weit gehen...
Fazit:
Ein sehr gut geschriebener Roman mit sehr unterschiedlichen und sehr interessanten Protagonisten, der ohne viel Kampfhandlungen auskommt und dennoch Spannung pur beinhaltet ¿ und dies durchweg. Der Leser wird so manche Überraschung und unerwartete Wendung erleben, mit der er nicht gerechnet hätte. Auch als Neuling dieses Genres muss man sich nicht fürchten ¿ die Handlung ist klar und verständlich, der Schreibstil flüssig und leicht lesbar. Ich will und kann diesem Buch nur 5 Sterne geben.