von
Elke Seifried
- 24.11.2016
Nach Tödliche Jagd und Die Fliege , ist dies bereits der dritte Fall für das Stuttgarter-Ermittlerduo Anna Benz und Markus Hauer. Ich war so gespannt auf den, hoffentlich nicht wirklich letzten Teil der Reihe, und wurde nicht enttäuscht.
Es knüpft direkt am letzten Teil, in dem Anna endlich Kontakt zu ihrem leiblichen Vater Roland aufgenommen hat, an. Die zarten Bande zwischen Vater und Tochter, die am Entstehen sind, werden aber sofort auf eine harte Probe gestellt, als Anna mitten in der Nacht einen aufgeregten Anruf von ihm erhält. Er hat seine Assistentin Marilene tot in seiner Villa aufgefunden. Als Anna bei ihrem Vater eintrifft, herrscht Chaos in Roland Kirchbergers Kopf. Er kann sich an nichts erinnern und alles spricht für ihn als Täter. Voller Selbstzweifel bittet er Anna, die sich zwar nicht vorstellen kann, dass er der Mörder sein soll, aber auch leise Zweifel hegt, um Hilfe. Sie beschließt das Verwandtschaftsverhältnis zu verschweigen um das Rätsel lösen zu können. Die geht natürlich nicht lange gut und sie wird doch vom Fall abgezogen. Dies ist für Anna allerdings kein Grund sich zurückzulehnen, schließlich muss sie ihren Vater aus dem Untersuchungsgefängnis in Stadelheim holen und will auch endlich Sicherheit. Ihre Privatermittlungen bringen allerdings nicht nur sie so richtig in Gefahr.
Es handelt sich um den dritten Teil der Reihe, den man sicherlich auch ohne Vorkenntnisse lesen kann. Will man sich aber auch in Anna besser hineinversetzen können, ist es auf jeden Fall ratsam ihre Geschichte zu kennen. Ist es doch hinter dem Hintergrund zerrütteter Familienverhältnisse, die ihr Vertrauen geraubt haben, noch einmal ganz anders zu bewerten, dass die neue Vaterfigur, die ihr endlich Sicherheit geben könnte, vielleicht auch eine große Enttäuschung sein könnte. Ihre Zweifel, ihre Gedanken und ihre Hoffnungen sind wirklich grandios gezeichnet. Ebenso die Selbstzweifel Rolands, der sich wegen seinem Gedächtnisverlust, den er schon öfters erlebt hat, wenn er seine Medikamente in kreativen Schaffensperioden abgesetzt hat, zermürbt.
Es geht sofort mit dem schrecklichen Leichenfund los und man wird als Leser von Beginn an regelrecht in das Geschehen gezogen. Der Fall ist komplex gestrickt und die Spannung erhöht sich von Kapitel zu Kapitel, bevor es dann zu einem mehr als fesselnden Finale kommt. Ich konnte das Buch irgendwann wirklich gar nicht mehr aus der Hand legen. Ganz lange hat mich die Frage nach dem Motiv am Mord von Marilene am Rätselraten gehalten.
Der Schreibstil liest sich locker, flüssig und ich bin regelrecht durch die Seiten geflogen. Die Autorin beschreibt derart anschaulich, dass man das Gefühl hat live mit vor Ort zu sein. Es gelingt ihr auch fantastisch Gefühle darzustellen, sodass ich mich nicht nur gut in die Köpfe der Charaktere denken, sondern regelrecht mitfühlen kann.
Anna Benz hat sich in den drei Bänden sehr zu ihrem Positiven verändert und dieses Mal hat sie eine absolut authentische und sympathische Rolle gespielt. Anna ist eine Topermittlerin, die sich nicht nur auf ihr Bauchgefühl verlassen kann, sondern der auch bei den Ermittlungsmethoden niemand etwas vormacht. Es muss nur dafür gesorgt sein, dass sie stets etwas zu Essen zwischen den Zähnen hat, denn hungrig geht bei ihr gar nichts. Froh sein kann sie um Markus, ihren engsten Kollegen und sicher auch guten Freund. Gefreut habe ich mich auch über ein Wiedersehen mit Bea, der rastalockigen Gerichtsmedizinerin, die mit Markus verbandelt, ebenfalls aber auch Annas beste Freundin, auf die sie sich perfekt verlassen kann, ist. Richtig gut gefallen hat mir auch Roland, Annas Künstlerpapa, dessen Rolle mehr als überzeugend echt dargestellt ist. Aber auch alle anderen kleinen Rollen sind perfekt besetzt, bei Nang, der thailändischen Prostituierten, um die ich mir richtige Sorgen machen musste, angefangen, bis hin zu Jens, Annas Lebensgefährten, der sich nicht nur Sorgen um sie macht, sondern sie auch bei ihren Ermittlungen tatkräftig unterstützt.
Super gut gefällt mir an der ganzen Reihe, dass die Ermittlungen so authentisch dargestellt werden. Da rücken erst einmal der KDD und die Tatortgruppe an, es werden ausführlich Spuren gesammelt, bevor irgendjemand an den Tatort darf und auch dann muss volle Schutzkleidung angelegt werden. Eine Verhandlungsgruppe wird bei einem SEK Einsatz mitgeschickt oder eine Ringfahndung wird so eingeleitet, wie es in der Realität üblich ist und eben nicht so einfach und salopp, wie man es im Krimi normalerweise findet. Grandios recherchiert hat die Autorin auch die Unterbringung im Untersuchungsgefängnis Stadelheim, bei der Einlieferung angefangen, über Essens- oder Arbeitsregelungen, bis hin zur Atmosphäre wird hier wirklich fundiert und großartig beschrieben.
Sehr positiv empfand ich auch die angenehme Schriftgröße.
Alles in allem ein toller dritter und sehr persönlicher Fall für Anna Benz, der auf jeden Fall großartige Krimiunterhaltung bringt und daher von mir 5 Sterne erhält.