Edward L. Bernays gilt als Vater der Public Relations: Bereits in den 1920er Jahren erkannte er das politische Machtpotenzial von Massenmedien in ihrer Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Er sah die Herausforderungen rund um Desinformation, Propaganda und emotionsgesteuerte Politik, denen sich die liberale Demokratie bis heute ausgesetzt sieht. Stefan Matern nimmt eine erste systematische Auseinandersetzung mit dem Werk Bernays' aus politiktheoretischer Perspektive vor und beleuchtet mögliche Anknüpfungspunkte für die Politische Theorie. Er zeigt, dass Bernays' Propagandatheorie mit ihrer interdisziplinären Grundlegung eine spezifische Aktualität besitzt, die in Kombination mit ihrer Anschlussfähigkeit für moderne sozialpsychologische Forschung zeitgenössische Phänomene rund um Fake News, Filterblasen und Echokammern erklären kann.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Einleitung
I Präludium: der US-amerikanische Journalismus um 1900
1 Einsichten in die Realitätskonstruktion: die Bedeutungszunahme von news
2 Die Öffentlichkeit besteigt den Thron: muckraking und die Entstehung der PR
3 Der Erste Weltkrieg und seine Folgen: make the world safe for democracy
II Bernays Anthropologie: Irratio, Triebe und Instinkte
1 Wilfred Trotter: das gregarious animal und seine Herdensuggestionen
2 Everett Dean Martin: die Suggestibilität der crowd und ihre Instinkte
3 William McDougall: Massen- und Individualpsychologie
4 Bernays Theorievorlage Walter Lippmann: Pseudo-Umwelten und stereotypes
5 Kontaktprofit durch Uncle Sigi : die Rezeption der Psychoanalyse
III Auf dem Weg zu einer politischen Propagandatheorie
1 Der analytische Propagandabegriff
1. 1 Die Gruppenstruktur der Gesellschaft: Meinungsführer als Totem-Ersatz
1. 2 Der creator of events: souverän ist, wer über die news in der Zeitung entscheidet
2 Der affirmative Propagandabegriff
2. 1 Eine historisch determinierte Symbiose: Propaganda als Stimme des Volkes
2. 2 Gute Propaganda versus Machtasymmetrie: der benevolente PR-Berater
2. 3 Propaganda versus Impropaganda: die Ethik der PR
2. 4 Die two-way-street: Symmetrie zwischen Öffentlichkeit und PR-Berater?
2. 5 Public Relations, Kapitalismus und Demokratie
3 Der elitentheoretische Propagandabegriff
3. 1 H. L. Mencken: Demokratie als Herrschaft anthropologisch Unterlegener
3. 2 Gaetano Mosca: organisierte Elite versus unorganisierte Masse
3. 3 Richard Washburn Child: Carl Schmitt lässt freundlich grüßen
3. 4 Vilfredo Pareto: nicht-logische Handlungen und Derivationen
3. 5 Robert Michels: die Desillusionierung der Demokratie
3. 6 Joseph Alois Schumpeter: Konkurrenzkampf versus created will
3. 7 Walter Lippmann: der vermeintliche Elitentheoretiker
3. 8 Versuchter Kontaktprofit: Instrumentalisierung und selektive Zitation
IV Elitendemokratie versus prozedurale Demokratie
1 Die Verteidigung der Demokratie: mit Bernays gegen Bernays
2 Meinungs- und Wahlumfragen: ein früher Wilhelm Hennis
3 Der Beginn des Steinbruchs: liberale Demokratie als Emotionsregime?
V Emotion versus Vernunft: ein überholter Dualismus
1 Spuren in der Ideengeschichte: motivierte Kognition und der myside bias
2 Liberale Institutionen und die Kanalisierung kognitiver Verzerrungen
3 Gegen den myside bias: der Mensch ist mit der Sprache begabt
4 Das Wunder der Demokratie und seine erkenntnistheoretischen Wurzeln
5 Motivierte Kognition und Stammesdenken: vom Individuum zum Kollektiv
VI Wider den Holismus: Bernays als Steinbruch
1 Fake News und Gemeinschaftsbildung: die Wiederkehr der Herde
2 Vertrauenskrise? Von wachsender epistemischer Autonomie
3 Die digitale Transformation und die Nivellierung von Machtasymmetrien
4 Stammesdenken im Netz: Algorithmen, Bots und Filterblasen
5 Epistemische Autoritäten und Irrationalität: Bernays in der Corona-Pandemie
Schlussbetrachtung
Zusammenfassende Thesen
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis Library of Congress