Studienarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Franzö sische Philologie - Landeskunde und Kultur, Note: 1, 5, Universitä t Leipzig (Institut fü r Romanistik), Veranstaltung: Seminar: Frankreich Deutschland - Europa, Sprache: Deutsch, Abstract: Einleitung
Ein Volk von 70 Millionen leidet, aber es stirbt nicht. 1 Mit diesen Worten vollzog Matthias Erzberger, Fü hrer der deutschen Delegation, die Kapitulation, die dem Ersten Weltkrieg ein Ende setzte. Wä hrend des vierjä hrigen Blutvergieß ens hatte er sich von einem Befü rworter territorialer Annexionen zum Anwalt eines Verstä ndigungsfriedens gewandelt. Im November 19182 unterzeichnete der deutsche Politiker in Compiè gne das von General Ferdinand Foch, dem Oberkommandierenden der Alliierten und Fü hrer der franzö sischen Waffenstillstandsdelegation, ausgearbeitete Dokument. Danach mussten nicht nur die besetzten Gebiete einschließ lich Elsaß -Lothringens sofort gerä umt werden; in einer zweiten Phase mussten sich die deutschen Truppen auch aus dem linksrheinischen Gebiet, einer neutralen Zone und aus drei Brü ckenkö pfen rechts des Rheins (um Mainz, Koblenz und Kö ln) zurü ckziehen. Auß erdem musste die deutsche Hochseeflotte einschließ lich aller U-Boote ausgeliefert werden, dazu tausende von Lokomotiven, Eisenbahnwaggons und Lastwagen sowie Kriegsmaterial aller Art. Die Friedensverträ ge, die das Deutsche Reich3 zu seinen Gunsten im Osten abgeschlossen hatte, wurden fü r hinfä llig erklä rt, die alliierten Kriegsgefangenen entlassen, und die Geltung des Waffenstillstandes zeitlich befristet.
Das Kaiserreich war zusammengebrochen. Zwei Millionen Menschen waren gefallen, das Volk war ratlos, die Feinde, die man 1914 besiegen zu kö nnen gehofft hatte, triumphierten . . . Fü r die Deutschen war die Welt verä ndert. Kü mmerlich ernä hrt und kü mmerlich gekleidet gingen die deutschen Bü rger durch die Straß en, [. . .], ihre Sö hne waren gefallen oder in Gefangenschaft, und die, die heimgekehrt waren, waren grausam verä ndert. 4 Die Werte der Menschen waren erschü ttert, ihr Selbstbewusstsein gefä hrdet. Aber nicht nur fü r die Deutschen war die Welt eine andere geworden - ganz Europa hatte stark gelitten. Nicht nur Stä dte und Dö rfer waren zerstö rt worden, sondern auch nahezu zehn Millionen Menschenleben. Die am Ersten Weltkrieg beteiligten Staaten waren hoch verschuldet, die Wä hrungen zerrü ttet, der Welthandel funktionierte nicht mehr und Hunger und Elend hatten sich ü berall ausgebreitet.
In Frankreich wurde der Ausgang des Krieges dagegen ü berwiegend als franzö sischer Sieg verstanden und gefeiert. Lange Zeit hatte die Bevö lkerung auf einen Sieg gehofft, gleichzeitig aber eine Niederlage schon vor Augen gehabt. Deshalb war die Erleichterung ü ber den Erfolg um so grö ß er. Und nachdem man von allen Verbü ndeten am meisten unter diesem Krieg zu leiden gehabt hatte, war man der Meinung, auch den grö ß ten Anteil an diesem Sieg zu haben und man fü hlte sich damit an fü hrender Stelle mitverantwortlich fü r die Gestaltung der internationalen Ordnung auf dem europä ischen Kontinent.