¿ Rezension zu "Mama, bitte lern Deutsch": Unser Eingliederungsversuch in eine geschlossene Gesellschaft¿ Tahsim Durgun¿ Rezensionsexemplar über NetGalley"Gefühle sind bei uns kein Tabuthema, aber wir waren damit beschäftigt, Deutschland zu überleben."Dieses Buch hat mich tief bewegt und ehrlich gesagt auch überrascht. Ich hatte vorher nur am Rande Positives darüber gehört und war nicht sicher, was mich erwartet. Was ich bekommen habe, war ein Leseerlebnis, das einen gleichzeitig zum Lachen, Nachdenken und Weinen bringt.Tahsim Durgun erzählt in seinem Buch vom Aufwachsen in Deutschland als Sohn einer kurdisch-yezidischen Familie und zwar auf eine Art, die sich anfühlt, als würde man mit einem guten Freund in der Küche sitzen und reden. Seine Sprache ist humorvoll, nahbar und mitreißend.Was mich besonders beeindruckt hat, ist die Balance zwischen persönlicher Geschichte und gesellschaftlicher Analyse. Die Anekdoten aus seiner Kindheit, ob es um das Übersetzen bei Arztbesuchen geht, das Missverständnis bei einem Fußwaschritual in der Schule oder das Dolmetschen bei Behörden, stehen exemplarisch für Erfahrungen, die viele Kinder mit Migrationsgeschichte machen mussten und müssen. Dabei spiegelt das Buch nicht nur die Hilflosigkeit einer Mutter wider, die nie richtig angekommen ist, sondern auch die emotionale Last, die auf ihren Kindern liegt."Manchmal, so denke ich heute, ist es egal, welche Sprache der Empfänger spricht, denn Schmerz folgt keiner Grammatik. Schmerz sprechen wir alle."Dieses Zitat ist sinnbildlich für die Kraft des Buches. Es geht nicht nur um Sprache, es geht um Zugehörigkeit, Würde, um die Frage, wer erzählen darf und wessen Geschichten wir hören.Ich selbst bin Deutsche und habe viele Jahre in einem Stadtteil mit starkem Migrationsanteil gelebt. Beim Lesen habe ich gemerkt, wie oft ich unbewusst die "Mareike" in dieser Geschichte war: privilegiert, wohlmeinend, aber auch ahnungslos. Umso wertvoller war es für mich, diese Perspektive zu lesen. Tahsim gelingt es, Leser*innen wie mich nicht abzuschrecken, sondern mitzunehmen, herauszufordern ohne uns zu belehren.Seine Mutter ist dabei das emotionale Zentrum des Buches: eine Frau, die unermüdlich für ihre Kinder kämpft, die nie die Sprache des Landes gelernt hat, in dem sie lebt nicht aus Unwillen, sondern weil das Leben es ihr schlicht nicht erlaubt hat. Eine Frau, die putzt, arbeitet, liebt und dabei unsichtbar bleibt, vor allem in der Politik und den Medien.Das Buch ist eine Hommage an sie und an alle Menschen, die am Rand unserer Gesellschaft stehen und gleichzeitig eine Anklage gegen ein System, das diese Menschen immer wieder im Stich lässt.Ich habe zwischendurch auch in das Hörbuch reingehört, das vom Autor selbst gelesen wird und auch das hat mich begeistert. Die Stimme verleiht den Texten noch mehr Authentizität und Emotion.Fazit:Mama, bitte lern Deutsch ist ein ebenso witziges wie schmerzhaft ehrliches Buch über Migration, Sprache, Identität, Rassismus und familiäre Verantwortung. Gerade in Zeiten, in denen rechte Stimmen lauter werden, ist es wichtiger denn je, Bücher wie dieses zu lesen. Bücher, die zeigen, dass hinter jedem "Flüchtling" eine Geschichte steckt. Eine Geschichte, die auch unsere eigene sein könnte, wären wir unter anderen Umständen geboren worden.Ich würde dieses Buch wirklich jeder Person ans Herz legen. Es ist unbequem, aber notwendig. Und es zeigt mit jeder Seite: Wir brauchen mehr Geschichten wie diese.