Zornig und magisch - aber der Schreibstil holt mich nicht ganz ab
Wieder einmal frage ich mich rückblickend, was mich so lange davon abgehalten hat, ein Buch zu lesen. Children of Blood and Bone steht seit Jahren auf meiner "unbedingt irgendwann lesen"-Liste und als es bei NetGalley angeboten wurde, habe ich nicht lange überlegt. Umso länger lag es dann einfach da, weil bei mir die Luft raus war und ich mich lieber mit klarem Kopf in eine neue Geschichte stürze als mich in Momenten der Leseflaute durch ein Buch zu quälen - denn dann kann es mir eigentlich gar nicht gefallen. Nun habe ich innerhalb einer Woche diesen ersten Band der Trilogie verschlungen und bin sehr neugierig, wie es mit Zélie, ihren Begleiter*innen und der Magie weitergeht. Ich hatte eine gewaltige (und gewalttätige) Geschichte erwartet, voller Mut und Abenteuer und vor allem voller Zorn. Zorn auf die Welt, die Machtungleichheiten nicht nur ermöglicht, sondern geradezu fördert; Zorn auf die Unterdrücker und die Grenzen der eigenen Fähigkeiten. Dazu eine kleine Prise Romance und eine große Prise Magie. Dieses Mal wurden meine Erwartungen genau getroffen, aber um eine fantastische Welt ergänzt. Zélie war mir sofort sympathisch, blieb es aber nicht durchgehend. Manchmal trifft sie Entscheidungen oder lässt durch ihre inneren Monologe Einblicke in Gedankengänge zu, die mir unlogisch erscheinen und die oft auch Konsequenzen haben. Aber hey, sie ist ein Teenager. Dass ich aus meiner Perspektive anders denke als sie, das ist wohl kaum verwunderlich. Am meisten gestört hat mich an Zélie, dass sie immer wieder an sich zweifelt, was ihr aber von vielen Menschen mal mehr, mal weniger metaphorisch eingeprügelt wurde. Es wäre schön gewesen, wenn sie diesen angelernten "Makel" mit der Zeit ablegen würde. Ich hoffe, das tut sie in den Fortsetzungen. Zélie ist ein junges Mädchen der untersten Gesellschaftsklasse, dass sogar zum eigenen Bruder eine riesige Distanz auf Ebene der Wertschätzung und Anerkennung empfindet. Sie fühlt sich von so gut wie allen Menschen verraten und verfolgt, was von der Realität gar nicht so weit entfernt ist. Amari ist für mich eine angenehmere Protagonistin gewesen. Sie kommt direkt aus dem Palast, hat in Wohlstand gelebt, was aber in ihrem Fall gleichbedeutend mit einem goldenen Käfig und Einsamkeit ist. Amari fühlt sich mit ihrer Dienerin verbundener als mit ihrer eigenen Familie und nutzt eine flüchtige Chance, um diesem Leben zu entkommen - und um genau für die eine Sache zu kämpfen, die ihr eigener Vater mit Mord und Genozid unterdrückt. Dabei wächst sie immer wieder über sich selbst hinaus und legt dabei eine spürbare Entwicklung hin. Im Vergleich zu Zélie, die am Ende innerlich noch etwa genauso aussieht wie am Anfang - "nur" ein bisschen traumatisierter -, ist Amari quasi ein neuer Mensch. Das zu verfolgen war richtig toll. Inan, der einzige männliche Protagonist, aus dessen Perspektive einige Kapitel erzählen, ist meiner Meinung nach im Vergleich mit den Mädchen eine komplexere Figur: Zélie ist zornig, verletzt und auf Rache, später auch auf ein größeres Ganzes aus. Amari ist kurz davor gebrochen zu werden und flieht ins Exil, bevor sie ihre gesamte Haltung auf Rebellion und Angriff ausrichtet. Und ihr Bruder Inan? Er ist der treue Soldat, der gute Sohn des grausamen Königs, der die Lehren seines Vaters gehorsam umsetzt und an dessen Wahrheit glaubt. Der Krieger, dem der Boden unter den Füßen wegbricht, als seine Augen für die Realität geöffnet werden und er ins Zweifeln gerät. Der versucht, eine neue, eigene Wahrheit zu finden, eine Seite zu wählen und der immer wieder von äußeren Einflüssen in verschiedene Richtungen gelenkt wird. Man könnte Inan als wankelmütig beschreiben und würde damit nicht falsch liegen. Wenn man aber berücksichtigt, wie blind er lange Zeit gewesen ist für die Ereignisse außerhalb des Palasts und wie sehr ihn die hasserfüllten Worte seines Vaters ausfüllten, wie sehr er danach strebte, dessen Anforderungen gerecht zu werden, dann verändert und entwickelt sich Inan im Verlauf der Geschichte am meisten. Und doch bleibt Amari meine Favoritin.Besonders wird diese bekannte Geschichte von Macht, Unterdrückung und Rebellion durch die Magie. Gewährt durch Götter, erweckt durch Beschwörungen und anhaltenden Glauben und vernichtet - zumindest vorübergehend - durch einen machtgierigen Sterblichen. Viele Elemente dieser Magie sind mit Kulturen verknüpft, die mir fremd sind und damit eine ganz eigene Welt in meinem Kopf entstehen ließen. Soweit ich herausfinden konnte, hat sich die Autorin von westafrikanischen Mythen inspirieren lassen und direkte Bezüge auf die Kultur der Yoruba eingesetzt, zum Beispiel in der Sprache der Magiebeschwörungen. Ich konnte schon viele verschiedene Magie- und Glaubenssysteme in den unterschiedlichsten Büchern kennenlernen: Children of Blood and Bone ist in dieser Masse für mich, für den Moment, einzigartig. (Zugegeben, ich habe bisher wenig gelesen, das sich auf afrikanische Kulturen bezieht. Dieses Buch verdeutlicht für mich, dass sich daran etwas ändern sollte.)Children of Blood and Bone hat glasklare Messages zum Thema Rassismus und Colorismus, die allerspätestens im Nachwort der Autorin deutlich werden sollten. Dort verbindet sie einzelne Storyelemente mit Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA, mit der Black Lives Matter Bewegung, und benennt konkrete Schwarze Opfer dieser Gewalt. Obwohl mir die Geschichte richtig gut gefällt und ich große Freude daran hatte, den Figuren bei ihrer Entwicklung zuzuschauen, stört mich leider genau das etwas: Ich blieb Zuschauerin. Es fühlte sich nicht wirklich an, als ob ich Zélie, Amari, Tzain und Inan begleite, sondern als ob ich im Nachhinein ihre Geschichte erzählt bekomme. Das kann natürlich auch damit zu tun haben, dass ich Weiß bin und die Figuren Schwarz sind. Ich führe es aber vielmehr auf die Erzählweise zurück, die mich trotz aller Emotionalität doch etwas auf Distanz hielt. Manchmal waren die Details zu ausschweifend, sodass ich auch mal eine Seite zurückblättern musste, um den roten Faden wieder aufzugreifen. Manchmal passierte etwas mit einer Figur und es war mir total egal, weil ich vorher nicht genug Zeit mit ihr verbracht hatte, um sie besser kennenzulernen und Nähe aufzubauen. Manchmal ging es dann wieder so schnell, dass ich das Gefühl hatte, etwas Wichtiges übersprungen zu haben. FazitInsgesamt ist Children of Blood and Bone genau wie ich erwartet habe und mehr: Zornig. Hoffnungsvoll. Magisch. Mystisch. Rebellisch. Es hat mir gut gefallen, den drei Held*innen auf ihrer Reise zu folgen und Einblicke in diese Fantasy-Version der Yoruba-Kultur zu erhalten. Leider hat mich der Schreibstil unterwegs öfter kurz verloren. Ich bin deshalb sehr gespannt, wie die Geschichte weitergeht und schließlich endet, aber bis zum Lesen der Fortsetzung wird wohl erneut etwas Zeit vergehen.