In zehn Kapiteln beschäftigt sich Wilhelm Vossenkuhl mit Wittgensteins Werk, das für ihn vor allem ein Werk im Werden ist: Für uns Leserinnen und Leser ist es nie abgeschlossen, wir können immer wieder Neues entdecken. Deswegen sollten wir zurückhaltend mit abschließenden Urteilen und Interpretationen und offen für Revisionen und Ergänzungen sein. Wittgensteins Nachlass wurde erst ab 2000 mit der »Bergen Electronic Edition« erschlossen. Viele Aspekte seiner Philosophie wurden dadurch erst sichtbar und werden es immer noch. Die »Wiener Ausgabe« macht Wittgensteins Werk ab 1929, dem Jahr seiner Rückkehr nach Cambridge, zugänglich. Beide Quellen gehen weit über die Werkausgabe, die zu seinem 100. Geburtstag erschien, hinaus. Von dieser Lage geht Vossenkuhl aus, indem er vieles, was ihm in seiner früheren Beschäftigung mit Wittgenstein als klar erschien, kritisch überprüft und revidiert. Die philosophische Auseinandersetzung mit Wittgensteins Denken ist vom philologischen Umgang mit seinem Nachlass nicht zu trennen. Es zeigen sich immer wieder neue Erkenntnisse, wie etwa Wittgensteins Orientierung an Anton Bruckners Kompositionen oder die Bedeutung der vielen, von ihm sehr ernst genommenen Wiederholungen, die in früheren Editionen nicht zu finden sind. Die immer wieder neu ansetzenden Gedanken zum Sehen von Aspekten oder zum Solipsismus kommen zu keinem Ende. Die Herausforderung der Auseinandersetzung mit Wittgensteins Werk ist in jedem Fall lohnend.