Zum Dahinschmelzen

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Exklusiv-Interview mit Mario Giordano

Was das Leserherz begehrt: Sizilien all inclusive! Landung in Catania bei schönstem Wetter, zur Begrüßung Spaghetti al nero di seppia nach Familienrezept und Vino rosso vom Feinsten. Dann geht's weiter an der Ostküste entlang. Auf halber Strecke von Catania nach Taormina empfängt uns in Torre Archirafi Tante Poldi, die Heldin der Roman-Reihe von Mario Giordano. Der mit allen literarischen Wassern gewaschene, vielfach ausgezeichnete Autor und "Tatort"-Drehbuchschreiber garantiert beste Unterhaltung: Dolce Vita mit Meerblick und Mafia-Kick, leiser Melancholie und überschäumender Lebensfreude.

Ihre Titelheldin Isolde Oberreiter alias Tante Poldi hat zwar ihre alte Münchner Heimat hinter sich gelassen, nicht aber ihren Dialekt. Wie würde sie sich mit ihren eigenen Worten vorstellen?
Wahrscheinlich so: "I bin eine alte Schachtel mit einem Sprung in der Schüssel... I weiß fei schon, dass i kurz vorm Verfallsdatum bin. Aber so lange, Burschi, lass ich's fei noch krachen, verstehst: amoremäßig, kriminalistisch und überhaupt." Ich selbst würde es eher so ausdrücken: Poldi ist eine sinnliche, sechzigjährige Münchnerin, die zwischen Schwermut und Lebenslust pendelt. Ungerechtigkeit kann sie gar nicht gut aushalten.

Sie machen kein Geheimnis daraus, dass Poldi ein Vorbild im wirklichen Leben hat: nämlich eine ihrer eigenen Tanten. Wie hat diese offenbar sehr temperamentvolle Persönlichkeit Sie beim Schreiben beeinflusst?
Natürlich hatte die Erinnerung an die Original-Poldi großen Einfluss auf die Romanfigur. Aber literarische Figuren bekommen schnell ein Eigenleben. Ich kann kaum noch sagen, wo die eine Poldi aufhört und die andere anfängt. Längst hat die Romanfigur für mich Gestalt angenommen wie eine gute Freundin.

Die Roman-Poldi rückt ja nicht so recht damit heraus, warum sie an ihrem 60. Geburtstag in das sizilianische Städtchen Torre Archirafi gezogen ist. Was spricht denn aus Ihrer Sicht für Sizilien?
Ganz einfach: Sizilien ist ein magischer, mythischer Ort, wie es nur wenige auf der Welt gibt. Ein Ort starker Energien, fruchtbar und auch zerstörerisch. Ein gutes Spannungsfeld für einen Roman.

Im Roman verbringt ein schreibender Neffe viel Zeit bei Tante Poldi. War das bei Ihnen auch so? Haben Sie tatsächlich in der Via Baronessa 29 über einen "verkorksten Familienroman" gegrübelt?
Oh ja. Nachdem die Original-Poldi ihr Projekt "Totsaufen mit Meerblick" erfolgreich abgeschlossen hatte, habe ich oft die eine oder andere Woche in der leerstehenden Via Baronessa verbracht. Ich habe mit Poldis Geist gesprochen und versucht, diesen Familienroman zu schreiben, an dem ich immer wieder grandios gescheitert bin. Daher ist "Tante Poldi" auch eine Geschichte über das Scheitern. Denn der Erfolg ist am Ende nur ein Effekt einer Kette von Momenten des Scheiterns.

Worin besteht die große kriminalistische und persönliche Herausforderung für Poldi im neuen Roman?
Sie hat vor allem mit ihren eigenen Vorurteilen und ersten Hypothesen zu kämpfen. Und natürlich mit ihrem schwierigen Verhältnis zu Commissario Vito Montana.

Poldis Neffe und dessen Vater, ein "Baumarkt-Junkie", haben fünf Jahre Arbeit investiert, um eine "Hausleiche zu reanimieren". Was empfehlen Sie Leuten, die mit ähnlichen Gedanken spielen?
Finger weg. Nein, wirklich, Finger weg. Ich hab doch gesagt, Finger weg! Ganz im Ernst! FINGER WEG! Sie wollen es tatsächlich doch wagen? Dann los, herzlichen Glückwunsch, Sie werden für die nächsten 20 Jahre nur noch damit beschäftigt sein, aber es wird Sie seltsamerweise glücklich machen.
Giordano

Das Buch zum Interview

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Tante Poldi und die Früchte des Herrn

Tante Poldi ist sauer: Zuerst wird ihr das Wasser abgestellt, dann auch noch der Hund ihrer Freundin um die Ecke gebracht. Kreizsacklzement! Erste Ermittlungen führen sie zum Winzer Avola. Und der ist auch noch so hammer-attraktiv, dass die Poldi nach einer heißen Nacht prompt ihre Ermittlungen vergisst. Bis am nächsten Morgen die Polizei vor Avolas Tür steht. Denn zwischen seinen Reben wurde eine Leiche gefunden, und Commissario Montana ist alles andere als erfreut, dass ausgerechnet Poldi Avola ein Alibi geben kann. Außerdem bleibt die Frage: Wer hat Giuliana getötet - und warum?