
Dr. Johannes Hartl ist Philosoph, Theologe, Speaker und Gründer des Augsburger Gebetshauses. Im Internet erreichen seine Vorträge zu den Themen Sinn, Verbundenheit und Glaube Hunderttausende. Er verbindet Menschen quer über Konfessionsgrenzen hinweg und macht Glaubensthemen relevant und verständlich für heute.
Der Autor zahlreicher Bücher füllt als international gefragter Speaker Konferenzsäle mit über 10.000 Zuhörern. Er gilt als einer der einflussreichsten Vermittler zwischen christlicher Spiritualität, Philosophie und Psychologie im deutschsprachigen Raum.

**1. Warum heißt das Buch "Eden Culture"?**
1. Warum heißt das Buch "Eden Culture"?
"Eden" steht für einen Sehnsuchtsort gelingender Zukunft. Unserer Gesellschaft fehlt eine positive Utopie, wir kennen nur noch düstere Zukunftsszenarien. Wir wissen, dass wir gegen Klimawandel und Rassismus sind. Doch wofür sind wird? Was ist das positive Bild? Meine Vision ist eine Kultur, in der man wieder spürt, was den Menschen zutiefst ausmacht. Es geht also um mehr als um ein paar gute Ideen, es geht um einen Lebensstil und eine neue Qualität des Miteinanders. Eben eine Kultur.
2. Was sind die tragenden Säulen einer neuen Zukunft?
Verbundenheit, Sinn und Schönheit sind für die menschliche Kultur und das menschliche Herz das, was Mineralstoffe, Sonne und Regen für einen Garten sind. Leider sind wir im Begriff, an genau diesen drei Ressourcen der Ökologie des Menschen Raubbau zu betreiben. Zugleich gibt es riesige Sehnsucht danach, weil viele Menschen spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt hat zwar nie zuvor da gewesenen Wohlstand geschaffen. Zugleich erleben wir eine Epidemie der Einsamkeit und Sinnlosigkeit. Das Herz kommt nicht mehr mit. Doch egal auf welche ökologischen und politischen Krisen wir als Menschheit zugehen werden, fest steht: wir werden Menschen brauchen, die in einer hoch komplexen Welt mit hoch komplexen Problemen werden umgehen können. Und das werden Menschen sein, die emotional gesund sind und in unübersichtlichen Datenmengen das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren. Die Säulen Verbundenheit, Sinn und Schönheit sind dafür entscheidend.
3. Warum fehlt uns heute die Verbundenheit zwischen Menschen?
Zunächst gibt es an vielen Stellen mehr Verbundenheit als früher. Die Digitalisierung ermöglicht ein Level von Vernetzung, wie man es sich vor 50 Jahren nicht hätte ausdenken können. Paradoxerweise nimmt zugleich die Einsamkeit in unserer Gesellschaft dramatisch zu. Beschleunigung und Selbstoptimierung machen es immer schwerer, tiefe und tragende Beziehungen aufzubauen. Genau danach sehnen sich aber die meisten. Bereits unser Umgang mit Kindern hat Auswirkungen auf diese Entwicklung, beispielsweise wenn Kinder als Störfall der Karriere oder gar als Klimasünde angesehen werden. Und wenn man doch Kinder bekommt, dann erfordert es die Gesellschaft, dass man sie möglichst bald wieder irgendwo unterbringt. Die Gefahr ist die Verzweckung und Verplanung der Kindheit. Allgemein unterschätzen wir die fundamentale Bedeutung von Beziehungen. Tatsächlich sind gelungene Beziehungen für die emotionale und physische Gesundheit mindestens so entscheidend wie Ernährung, Sport und ausreichend Schlaf.
4. Wie kann sich eine plurale Gesellschaft auf Sinn einigen?
Sie muss sich nicht auf den einen Sinn einigen, Weltdeutungen dürfen und müssen auch kontrovers diskutiert werden können. Das gelingt aber nur, wenn wir davon ausgehen, dass es Wahrheit gibt. Wenn es die Wahrheit nicht gibt, sondern nur Machtspiele unterschiedlicher Identitätsgruppen gegeneinander, dann gibt es auch keinen Sinn mehr. Aktuell erleben wir in Echtzeit, wie unsere Gesellschaft sich in immer kleinere Bubbles unterteilt, die überhaupt nicht mehr miteinander reden können. Sinn bedeutet, dass man sich nach etwas ausrichtet, was größer ist als man selbst. Der aktuelle öffentliche Diskurs, gerade in den sozialen Medien, ist jedoch immer mehr von Emotionalisierung und dem Kampf um Identitäten geprägt. Das halte ich für höchst gefährlich. Denn wenn es sofort um Identität geht, dann wird der Wunsch verständlich, vor unliebsamen Meinungen beschützt zu werden. Doch damit endet auch sinnvoller Diskurs, denn der lebt auch vom Widerspruch.
5. Warum ist Schönheit wichtig?
Weil das Leben mehr ist als Fressen, Arbeit und Fortpflanzung. Der Mensch hat schon vor etwa 100.000 Jahren damit begonnen, Pigmente abzubauen, um Gegenstände und Wände anzumalen. Weshalb tut er das? Er stellte Gegenstände her, die offenbar keinen anderen Sinn hatten, als schön zu sein. Schönheit ist das, was unverzweckt ist. Wir neigen heute dazu, alles zu verzwecken - das sieht man auch an der Architektur. Erstaunlicher Weise sind ein Großteil der Bauwerke der letzten Jahrzehnte hässlich, während fast alles, was vor 1910 gebaut wurde, heute immer noch schön ist. Es gibt keinen Grund, das normal zu finden. Denn Menschen arbeiten besser, sind besser gelaunt und weniger kriminell in einer Umgebung, die schön ist. Zugleich erleben wir immer unmenschlichere Schönheitsideale, die gerade junge Frauen immens unter Druck setzen. Es geht also wirklich um die Wiederentdeckung der unverzweckten Schönheit, der Schönheit dessen, was real und tatsächlich authentisch ist.
6. Welche Rolle spielt die Natur in einem neuen Morgen?
Die ökologische Bewegung ist ideengeschichtlich die wohl mächtigste Menschheitsbewegung der letzten 50 Jahre. Ihre fundamentale Erkenntnis besteht darin, dass es in der Natur Gesetze gibt, die es zu achten gibt. Wir dürfen nicht alles tun, was wir technisch können, sonst zerstören wir uns selbst. Die Natur wird deshalb in einem neuen Morgen eine absolut entscheidende Rolle spielen. Die noch ungelöste Frage lautet aber: welche Rolle spielt aber der Mensch noch in der Natur? Ist er der Störfall, ist der die Krankheit des Erde? Ich glaube nicht.
Der Mensch selbst hat eine Natur und die gilt es neu zu entdecken. Diese Natur hat aber ebenso ihre Gesetze, die es zu achten gilt. Wir brauchen eine Ökologie des menschlichen Herzens. Denn der Mensch ist nicht das Problem des Planeten, sondern der geheimnisvolle Ort, wo der Geist den Raum der Materie betritt. Der Mensch ist kein Computer und Computer werden uns auch nicht ersetzen.
Die Fragen stellte Amelie Tautor
Copyright Verlag Herder, Juli 2021
"Eden" steht für einen Sehnsuchtsort gelingender Zukunft. Unserer Gesellschaft fehlt eine positive Utopie, wir kennen nur noch düstere Zukunftsszenarien. Wir wissen, dass wir gegen Klimawandel und Rassismus sind. Doch wofür sind wird? Was ist das positive Bild? Meine Vision ist eine Kultur, in der man wieder spürt, was den Menschen zutiefst ausmacht. Es geht also um mehr als um ein paar gute Ideen, es geht um einen Lebensstil und eine neue Qualität des Miteinanders. Eben eine Kultur.
2. Was sind die tragenden Säulen einer neuen Zukunft?
Verbundenheit, Sinn und Schönheit sind für die menschliche Kultur und das menschliche Herz das, was Mineralstoffe, Sonne und Regen für einen Garten sind. Leider sind wir im Begriff, an genau diesen drei Ressourcen der Ökologie des Menschen Raubbau zu betreiben. Zugleich gibt es riesige Sehnsucht danach, weil viele Menschen spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt hat zwar nie zuvor da gewesenen Wohlstand geschaffen. Zugleich erleben wir eine Epidemie der Einsamkeit und Sinnlosigkeit. Das Herz kommt nicht mehr mit. Doch egal auf welche ökologischen und politischen Krisen wir als Menschheit zugehen werden, fest steht: wir werden Menschen brauchen, die in einer hoch komplexen Welt mit hoch komplexen Problemen werden umgehen können. Und das werden Menschen sein, die emotional gesund sind und in unübersichtlichen Datenmengen das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren. Die Säulen Verbundenheit, Sinn und Schönheit sind dafür entscheidend.
3. Warum fehlt uns heute die Verbundenheit zwischen Menschen?
Zunächst gibt es an vielen Stellen mehr Verbundenheit als früher. Die Digitalisierung ermöglicht ein Level von Vernetzung, wie man es sich vor 50 Jahren nicht hätte ausdenken können. Paradoxerweise nimmt zugleich die Einsamkeit in unserer Gesellschaft dramatisch zu. Beschleunigung und Selbstoptimierung machen es immer schwerer, tiefe und tragende Beziehungen aufzubauen. Genau danach sehnen sich aber die meisten. Bereits unser Umgang mit Kindern hat Auswirkungen auf diese Entwicklung, beispielsweise wenn Kinder als Störfall der Karriere oder gar als Klimasünde angesehen werden. Und wenn man doch Kinder bekommt, dann erfordert es die Gesellschaft, dass man sie möglichst bald wieder irgendwo unterbringt. Die Gefahr ist die Verzweckung und Verplanung der Kindheit. Allgemein unterschätzen wir die fundamentale Bedeutung von Beziehungen. Tatsächlich sind gelungene Beziehungen für die emotionale und physische Gesundheit mindestens so entscheidend wie Ernährung, Sport und ausreichend Schlaf.
4. Wie kann sich eine plurale Gesellschaft auf Sinn einigen?
Sie muss sich nicht auf den einen Sinn einigen, Weltdeutungen dürfen und müssen auch kontrovers diskutiert werden können. Das gelingt aber nur, wenn wir davon ausgehen, dass es Wahrheit gibt. Wenn es die Wahrheit nicht gibt, sondern nur Machtspiele unterschiedlicher Identitätsgruppen gegeneinander, dann gibt es auch keinen Sinn mehr. Aktuell erleben wir in Echtzeit, wie unsere Gesellschaft sich in immer kleinere Bubbles unterteilt, die überhaupt nicht mehr miteinander reden können. Sinn bedeutet, dass man sich nach etwas ausrichtet, was größer ist als man selbst. Der aktuelle öffentliche Diskurs, gerade in den sozialen Medien, ist jedoch immer mehr von Emotionalisierung und dem Kampf um Identitäten geprägt. Das halte ich für höchst gefährlich. Denn wenn es sofort um Identität geht, dann wird der Wunsch verständlich, vor unliebsamen Meinungen beschützt zu werden. Doch damit endet auch sinnvoller Diskurs, denn der lebt auch vom Widerspruch.
5. Warum ist Schönheit wichtig?
Weil das Leben mehr ist als Fressen, Arbeit und Fortpflanzung. Der Mensch hat schon vor etwa 100.000 Jahren damit begonnen, Pigmente abzubauen, um Gegenstände und Wände anzumalen. Weshalb tut er das? Er stellte Gegenstände her, die offenbar keinen anderen Sinn hatten, als schön zu sein. Schönheit ist das, was unverzweckt ist. Wir neigen heute dazu, alles zu verzwecken - das sieht man auch an der Architektur. Erstaunlicher Weise sind ein Großteil der Bauwerke der letzten Jahrzehnte hässlich, während fast alles, was vor 1910 gebaut wurde, heute immer noch schön ist. Es gibt keinen Grund, das normal zu finden. Denn Menschen arbeiten besser, sind besser gelaunt und weniger kriminell in einer Umgebung, die schön ist. Zugleich erleben wir immer unmenschlichere Schönheitsideale, die gerade junge Frauen immens unter Druck setzen. Es geht also wirklich um die Wiederentdeckung der unverzweckten Schönheit, der Schönheit dessen, was real und tatsächlich authentisch ist.
6. Welche Rolle spielt die Natur in einem neuen Morgen?
Die ökologische Bewegung ist ideengeschichtlich die wohl mächtigste Menschheitsbewegung der letzten 50 Jahre. Ihre fundamentale Erkenntnis besteht darin, dass es in der Natur Gesetze gibt, die es zu achten gibt. Wir dürfen nicht alles tun, was wir technisch können, sonst zerstören wir uns selbst. Die Natur wird deshalb in einem neuen Morgen eine absolut entscheidende Rolle spielen. Die noch ungelöste Frage lautet aber: welche Rolle spielt aber der Mensch noch in der Natur? Ist er der Störfall, ist der die Krankheit des Erde? Ich glaube nicht.
Der Mensch selbst hat eine Natur und die gilt es neu zu entdecken. Diese Natur hat aber ebenso ihre Gesetze, die es zu achten gilt. Wir brauchen eine Ökologie des menschlichen Herzens. Denn der Mensch ist nicht das Problem des Planeten, sondern der geheimnisvolle Ort, wo der Geist den Raum der Materie betritt. Der Mensch ist kein Computer und Computer werden uns auch nicht ersetzen.
Die Fragen stellte Amelie Tautor
Copyright Verlag Herder, Juli 2021