Miss Bennet ist ein außergewöhnlich feinfühliger Roman über die mittlere Tochter Mary Bennet, der wohl berühmtesten fiktiven Familie Englands, frei nach Jane Austen. Mary steht seit sie denken kann im Schatten ihrer Schwestern, sein es die beiden ältesten Jane und Elisabeth, die vor Schönheit und Sanftmut sowie Klugheit und Charme nur so strotzen oder ihren beiden jüngsten Schwestern Kitty und Lydia, die nur nach roten Mantelaufschlägen Ausschau halten und für vernünftige Konversationen nicht viel übrig haben. Mary ist hin und her gerissen zwischen den Einflüssen ihrer nervenschwachen und tumben Mutter, die nur auf Äußerlichkeiten und den Reichtum der zu heiratenden Männern achtet und ihrem Vater, der zwar belesen und einiges an Bildung inne hat, aber dennoch überhaupt keine Beziehungen zu seinen Töchtern pflegt, außer zu Lizzy, seiner zweitgeborenen.Mary versucht sich einen Platz in dieser lauten Familie zu etablieren und merkt schnell, dass ihr dieses unmöglich ist, schon weil ihre Mutter in ihr von Anfang an einen hoffnungslosen Fall sieht, bedauernswert und hässlich. Mary beschließt nach einem Missgeschick auf dem öffentlichen Ball in Hertfordshire, nur noch ihrem Verstand zu folgen und auf jegliche Gefühlsäußerungen zu verzichten, da sie unwissentlich und naiv wie sie war, einen guten Menschen, der ihr Respekt und Aufmerksamkeit entgegengebracht hat, vor den Kopf gestoßen hat. Fortan sieht Mary ihr Heil nur noch in ihrer geistigen Bildung.Als sich später die Möglichkeit bietet, vielleicht Mr. Collins, dem Erbe des Familiensitzes, zu ehelichen, um wie sie findet auch ihre töchterlichen Pflichten nach zu kommen und vor allem ihrem Schicksal einer alten Jungfer zu entkommen, muss sie entsetzt feststellen, dass ihr Lizzies Freundin Charlotte zuvorgekommen ist. Nun scheint das Schicksal Marys besiegelt. Ohne Hoffnung auf einen Ehemann, wird sie wohl das trostlose Dasein als alte Jungfer fristen müssen.Nachdem ihre beiden ältesten Schwestern ihr Glück gefunden und sich sehr wohlhabend verheiratet haben, und auch die beiden jüngeren Schwestern mehr oder weniger gut situiert verheiratet wurden sind, ist Mary nun allein mit ihrer immer zeternden Mutter und ihrem stets unterkühlten Vater auf dem Familiensitz Longbourn und ihr Leben scheint als Gesellschafterin ihrer Mutter vorherbestimmt.Doch der plötzliche Tod ihres Vaters nimmt ihr nun auch diese Sicherheit. Mary und ihre Mutter müssen ihr geliebtes Longbourn verlassen und ziehen zu ihrer Schwester Jane und ihrem Mann Mr. Bingley. Hier fühlt sich Mary nicht angenommen und leidet schrecklich unter Mr. Bingleys Schwester. Sie sieht keinen anderen Ausweg, als zu ihrer Schwester Lizzie nach Pemberley weiterzuziehen. Aber auch hier bemerkt Mary schnell, dass sie nie mehr als nur eine Zuschauerin im Leben der glücklichen Familie sein wird. Auch ihr Aufenthalt in Longbourn, den sie für einen für sie hoffnungsvollen Zwischenstopp gewählt hat und Charlotte und Mr. Collins besucht, endet nicht glücklich für sie. Also nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen und schreibt ihrer Tante nach London, dort wo auch einst ihre Schwestern Zuflucht gesucht und gefunden haben und bekommt alsbald eine schnelle und positive Antwort von ihrer Tante Gardener.Mary ist überwältigt von der Stadt London, aber vor allem taut sie bei der herzlichen Familie des Bruders ihrer Mutter nach und nach auf. Dort entdeckt Mary Seiten an sich, die sie nie für möglich gehalten hätte. So entwickelt sie wieder Spaß an Abendeinladungen und hat das Gefühl, dass ihr hier endlich Gehör geschenkt wird, aber auch banale Dinge, wie sich für diese Abendgesellschaften schick zu machen, stößt sie nicht mehr ab. Dies scheint ganz allein dem jungen Anwalt Tom Hayward zu verdanken zu sein, der sich fest vorgenommen hat, Mary aus ihrem Scheckenhäuschen herauszuholen und dies tut er, indem er ihr die Schönheit der Poesie näher zu bringen versucht.Als dann auch noch der junge Adlige Will Ryder ihr den Hof macht, ist Mary schneller als ihr lieb ist gefangen zwischen Vernunft und Gefühl. Persönliche Eindrücke:Dieser Roman ist in vier Abschnitte unterteilt. Der erste Teil ist frei nach Jane Austens Roman Stolz und Vorurteil aus der Sicht von Mary Bennet, der mittleren der 5 Töchter, erzählt. Die Autorin entsinnt im ersten Teil gekonnt zu den bekannten Situationen die Sichtweise von Mary und beleuchtet ihr Seelenleben für mich auf sehr eindrückliche Weise und gibt so einen möglichen Einblick, den vielleicht auch Jane Austen im Sinn hatte, wieso Mary so ist, wie sie ist.Zur rechten Zeit wechselt die Autorin dann in den zweiten Teil, da ich als Leserin ungeduldig werde und natürlich Marys Weg weiterverfolgen will. Hier nimmt das Buch für mich dann an Fahrt auf und entwickelt sich zu einen gelungenen Porträt einer heranwachsenden sympathischen Frau, die lange im Schatten ihrer übergroßen Familie stand. Sie entfaltet sich und macht Fehler, ist hin und her gerissen zwischen Gedanken und Gefühlen, aber ganz im Sinne Jane Austens findet auch Mary ihren Weg und vor allem ihre Stimme als selbstbewusste Frau.Fazit:Mich hat das Buch spätestens ab Teil zwei richtig abgeholt und äußerst gut unterhalten. Ich bin gern der Geschichte von Mary gefolgt und habe ihr beim Wachsen zugesehen. Gleichzeitig ist sie ein würdiger Abschluss, der unbedingt noch gefehlt hat. Dieser Roman kann sich absolut nahtlos zu den anderen Romanen von Jane Austen einreihen. Eine klare Leseempfehlungen für alle die gerne in romantische und fesselnde Verwirrungen zur Zeit Jane Austens abtauchen.